Authentisch sein oder Harmonie wahren? Wie du erkennst, was deiner Beziehung wirklich hilft?

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Warum ein ehrlicher Streit euch einander näherbringt

 

Anna und Tim streiten selten. Ihre Beziehung wirkt nach außen harmonisch – durchaus beneidenswert. Und doch spürt Anna seit einiger Zeit eine wachsende Leere in sich.

Sie schluckt Dinge runter, lächelt über verletzende Bemerkungen hinweg, gibt nach, wenn sie eigentlich etwas anderes will.

Neulich, als Tim ein gemeinsames Wochenende absagte, meinte sie: „Klar, kein Problem.“ Aber in ihrem Inneren zog sich alles zusammen.

Wann habe ich das letzte Mal wirklich gesagt, was ich fühle? Fragte sie sich.
Wann habe ich das letzte Mal gespürt, dass er wirklich mich sieht – und nicht nur meine Zustimmung? 
Warum fällt mir authentisch sein so schwer?

 

🧠 Der Ursprung des Harmoniezwangs bei Verlustangst und Bindungsangst

Verlustängstliche Menschen wie Anna fürchten nichts mehr als Ablehnung. Für sie bedeutet Harmonie Sicherheit – und Konflikt Gefahr.

Sie stellen eigene Bedürfnisse hinten an, um Nähe zu erhalten. Doch was sie oft nicht merken:
Wer sich selbst verleugnet, um geliebt zu werden, ist irgendwann nicht mehr er selbst – sondern eine traurige Version seiner selbst, die vermeintlich in der Beziehung funktioniert.

Bindungsängstliche Partner hingegen erleben Konflikte als Bedrohung ihrer Autonomie. Sie ziehen sich zurück, sobald Emotionen zu intensiv werden – und fühlen sich selbst durch unausgesprochene Erwartungen erdrückt. Häufig rebellieren sie gegen alle Erwartungen, um ihre Autonomie zu schützen, und sie tun das auf passiv-aggressive Weise, um der Konfrontation zu entgehen.

Was dann passiert, ist eine stille Übereinkunft: Lass uns nicht über das sprechen, was weh tut. Hauptsache, es ist ruhig.
Doch Nähe ohne Reibung ist keine Verbindung – sondern ein Schwebezustand.

⚖️ Der Unterschied zwischen „Authentisch sein“ und Harmonie

Authentisch sein

Harmonie (um jeden Preis)

Ich zeige, was in mir vorgeht

Ich lächle, auch wenn ich verletzt bin

Ich spreche Konflikte an

Ich meide Reibung, um Frieden zu wahren

Ich bin nahbar, auch mit meinen Schwächen

Ich wirke stark, damit der andere bleibt

Ich bin bereit, mich zu zeigen, auch wenn es unbequem ist

Ich spiele eine Rolle, um Nähe zu sichern

Harmonie ist oft die Maske von Angst.
Authentisch sein ist das Gesicht von Vertrauen.

 

🔥 Warum echte Versöhnung mehr Nähe schafft als dauerhafte Glückseligkeit

Eine Beziehung ohne Streit ist nicht automatisch eine gute Beziehung. Oft bedeutet sie:

  • Schweigen statt Ausdruck
  • Anpassung statt Ehrlichkeit
  • Friede statt Verbindung

Ein echter Konflikt – wenn er mit Respekt und Offenheit geführt wird – kann Wunder wirken:
🔹 Ihr zeigt euch in eurer Wut, Traurigkeit, Verletzlichkeit
🔹 Ihr durchbrecht die Oberflächlichkeit
🔹 Ihr erlebt: Ich kann mich zeigen – und werde trotzdem gehalten

Die Folge? Mehr Vertrauen. Mehr Nähe. Mehr Tiefe.

Das Erlebnis, nach Streit oder Meinungsverschiedenheiten wieder zusammenzufinden, erzeugt ein Gefühl von Geborgenheit und Vertrauen in diese Verbindung. Ich kann in dieser Beziehung „ich selbst“ bleiben, meine Bedürfnisse aussprechen und eine eigene Meinung haben.

Die Überzeugung, dass ein Streit die Beziehung beschädigt oder ich dafür abgelehnt oder verlassen werde, erzeugt Unsicherheit und Kontrollzwang. Ich muss in dieser Beziehung funktionieren, mich anpassen und jemand sein, der bequem und leicht ist.

Für den Partner bist du damit nicht greifbar, ein Fähnchen im Wind. Oft beschädigt der damit einhergehende Respektverlust mehr, als es jeder Streit könnte.

🧩 Beispiele aus dem Beziehungsalltag

💬 Beispiel 1:

Situation: Er kommt ständig zu spät – sie sagt nichts.
Harmonie-Strategie: „Ist doch nicht so schlimm …“ (obwohl sie innerlich enttäuscht ist)
Authentisch sein: „Ich weiß, dass du viel um die Ohren hast – aber ich fühle mich ungeliebt, wenn du unpünktlich bist.“

💬 Beispiel 2:

Situation: Sie will mehr Zärtlichkeit – aber spricht es nicht an.
Harmonie-Strategie: Sie kuschelt trotzdem, obwohl sie sich leer fühlt.
Authentisch sein: „Ich vermisse unsere Nähe. Ich brauche mehr körperliche Zuwendung – sonst fühle ich mich allein und nicht zugehörig.“

🚪 Wege aus dem Harmoniegefängnis: So lernst du, authentisch zu sein

✅ 1. Erkenne deinen Harmonie-Autopiloten

Frage dich in schwierigen Momenten: Verhalte ich mich gerade so, weil ich gemocht werden will – oder weil es mir entspricht? Was will eigentlich ICH, und was würde passieren, wenn ich es JETZT einfach vorwurfsfrei ausspreche?

✅ 2. Übe kleine Dosen Echtheit

Beginne mit „ungefährlichen“ Wahrheiten:
„Ich bin heute irgendwie traurig – und ich weiß nicht mal, warum.“
„Ich würde lieber zum Italiener, als zu Griechen essen gehen“

✅ 3. Hab Mut zur Verletzlichkeit

Echtheit ist nicht gleich Konfrontation. Sag Sätze wie:
„Ich merke, dass ich mich nicht traue, das anzusprechen – weil ich Angst habe, dass du dich dann zurückziehst.“

✅ 4. Stell Nähe über Nettigkeit

Wähle echte Verbindung statt Gefälligkeit. Das bedeutet: Du darfst unbequem sein – aber immer liebevoll.

🧭 Fazit: Wenn du dich zeigst, entsteht echte Beziehung

Du musst nicht laut sein, nicht kämpfen, nicht Schuld verteilen – um „authentisch sein“ zu dürfen.

Du musst nur den Mut finden, dich selbst nicht zu verraten.
Denn: Wer du bist, ist zumutbar.
Und wenn du dich zeigst, schenkst du eurem Miteinander Tiefe.

Nicht die konfliktfreie Beziehung ist stark – sondern die, in der man streiten und sich danach noch mehr lieben kann.

Mach dir dein Leben schön

Dein Uwe

P.S. Zu vielen Themen gebe ich ganz private Einblicke in mein Leben und mein Learning. Falls dich das interessiert, lies unter dem roten Button weiter…

Wie das Thema der Woche  mich betrifft

Wut interpretierte ich immer mit Verletzung und Zerstörung, deshalb versuchte ich stets jeden Konflikt zu vermeiden. Ich war ein Meister der Diplomatie, wenn auch meist auf meine Kosten.

Zu sagen, was ich denke oder fühle, war undenkbar, zumal mir meine Gefühle nicht wirklich zugänglich waren. Mich einfach zu zeigen, wie ich bin, kam in meiner Erinnerung nicht vor, hatte ich doch früh gelernt, dass ich „so wie ich bin“, nicht in Ordnung bin.

Natürlich hörte ich immer wieder, wie wichtig es ist, authentisch zu sein. Ich solle nein sagen, wenn ich nein meine, auf den Tisch hauen, wenn mir etwas nicht passt, über meine Sorgen sprechen und klare Grenzen setzen. Das hörte sich in einigen Fällen wirklich verführerisch an, doch es war klar, dass mir das nicht zusteht – es umzusetzen erschien mir unmöglich.

 Ich führte meine Streite und Diskussionen in stundenlangen, zermarternden Monologen. Wenn mir aber wirklich jemand gegenüberstand, sagte ich entweder gar nichts oder ließ eine spitze Bemerkung fallen. Die Klaviatur des passiv-aggressiven Verhaltens beherrschte ich perfekt, auch wenn ich damals noch keine Ahnung hatte, was das ist.

Ich litt auch nicht wirklich darunter, diese Rolle zu spielen, es gehörte schlicht zu meiner Realität. Mein ganzes Leben war auf meiner Maske aufgebaut und machte einen großen Bogen um sämtliche Konflikte und Ungerechtigkeiten.

„Ich trug so viele Masken und verlor dabei mein Gesicht“, wusste schon der Waggershausen zu singen.

🌻 Der Wandel setzt ein

Mit wachsendem Bewusstsein durch meine Persönlichkeitsentwicklung passte mir meine Maske allerdings immer weniger. Ich kam immer wieder an Punkte, wo mein Leidensdruck größer war als die Angst vor Ablehnung.

Ich begann, mich zu zeigen. Erst ganz vorsichtig, und mit der Zeit konnte ich immer authentischer sein. Ich sagte, was ich dachte, auch wenn es unbequem war. Und ich sprach über meine Ängste und Unsicherheiten

Es geschah etwas Seltsames: All meine Fantasien, wie mein Gegenüber wohl reagieren würde, trafen nicht zu. Niemand verließ mich, es gab keine Zurückweisung, keinen Streit oder stundenlange Diskussionen. Meist erntete ich Verständnis, Entgegenkommen und unfassbar konstruktive Gespräche.

 🐣 Meine Realität bekam immer mehr Risse.

Meine Vorstellung, dass ich andere vor den Kopf stoßen würde, wenn ich mich zeige, Hilfe brauche oder Wünsche ausspreche, stimmte nicht. Ich lernte, dass meine Bedürfnisse durchaus gehört werden und ich sie einfach nur aussprechen muss.

Je eher ich eine Sache anspreche, die mir auf der Seele liegt, desto leichter fällt es mir. Ich verstand: Wenn ich mein Thema zu lange ungesagt mit mir trage, wird es immer schwieriger, vorwurfsfrei und wertschätzend zu sein.

Doch selbst wenn mir das nicht gelingt, und ich mich mit meiner Verletzung, meiner Wut oder meiner Schwäche zeige, werde ich gehalten und aufgefangen, oder wir finden in kurzer Zeit wieder zueinander.

Das hätte ich mir früher niemals vorstellen können. Heute weiß ich, dass echtes Vertrauen nicht aus andauernder Glückseligkeit und Harmonie erwächst, sondern aus der Erfahrung, dass wir die Fähigkeit haben, uns nach einer Störung wieder aufeinander einzustimmen.

 

Glaubst du, Authentizität sei zerstörerisch?

Glaubst du, so zu tun, als wäre alles gut, rettet deine Beziehung?

Fühlst du dich damit wohl, dich hinter deiner Maske zu verstecken?

Könnte es sein, dass du genauso wie du bist, respektiert und geliebt wirst?

Mach dir deine Beziehung schön,

Dein Uwe

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