Wenn Beziehung schmerzt: Was Trauer mit Loslassen zu tun hat.

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Trauer ist notwendig, wenn sich deine Erwartungen nicht erfüllen

Leidest du in oder nach deiner Beziehung?

Ich erinnere mich noch gut an die Zeit als ich langsam wahrnahm, dass meine Beziehung nicht so war, wie ich sie mir immer vorgestellt oder erträumt hatte. Meine damalige Partnerin war alles für mich – der Mittelpunkt meiner Welt, und der Mensch, mit dem ich alt werden wollte. Doch je stärker meine Liebe wurde, desto mehr zog sie sich zurück.

Ihre Nähe tat weh, ihre Distanz noch mehr. Ich verstand einfach nicht, warum sie nicht genauso fühlte wie ich. Warum konnte sie nicht einfach die Realität annehmen, dass wir zusammengehören? Wieso versteht sie nicht, dass Nähe, Interaktion und Kommunikation zu einer Beziehung dazugehören? Weshalb ist sie so einsilbig, zurückgezogen und passiv?

Und dann kam die Erkenntnis: Es war nicht meine Partnerin, die die Realität nicht annehmen konnte, sondern ich selbst. Jene Realität, dass sie vielleicht nicht dieselbe Tiefe der Nähe suchte wie ich. Die Realität, dass ihre Bindungsangst ihr jeden Schritt in meine Richtung schwer machte. Und die traurige Wahrheit, dass ich diese Tatsache akzeptieren musste, um uns beide zu retten.

 

Die Illusion der Kontrolle

Als Partner eines Menschen mit Bindungsangst habe ich oft versucht, die Dinge zu kontrollieren. Ich wollte die Beziehung in eine Richtung lenken, die sich für mich richtig anfühlte. Doch das führte zwangsläufig dazu, dass sie sich immer weiter von mir entfernte. Je mehr Druck und Kontrolle ich aufbaute, desto mehr Gegendruck und Rebellion erfuhr ich von ihr.

Diese ständige Kontrolle entsprang meiner eigenen Angst – der Angst, verlassen zu werden, der Angst, nicht genug zu sein, der Angst, Schuld an der Misere zu sein. Doch was ich nicht erkannte, war, dass meine Versuche, sie zu „reparieren“, die eigentliche Wurzel unserer Probleme waren.

Das Geschenk der Trauer

Loszulassen bedeutete nicht, meine Partnerin aufzugeben. Es bedeutete, meine eigene Vorstellung von unserer Beziehung loszulassen – die Vorstellung, dass ich ihre Liebe auf die gleiche Weise spüren müsste wie ich sie ihr gab. Meine Erwartung, dass sie anders sein müsste, und meine Überzeugung, wie eine gute Beziehung zu sein hat.

Doch um diese Vorstellungen loszulassen, musste ich trauern. Trauern um die Beziehung, die ich mir immer gewünscht, aber nicht bekommen habe. Trauern um die Erwartungen die ich an sie hatte, die nie erfüllt wurden. Trauern um den Traum, der nie zur Realität wurde.

Doch in dieser Trauer fand ich etwas, das ich nie erwartet hätte, und das war innerer Frieden. Als ich anfing, die Realität anzunehmen, hörte der ständige innere Kampf auf. Die Trauer erlaubte mir mich selbst zu heilen und eine neue Art von Liebe zu entdecken – eine, die auf Akzeptanz und Verständnis und Bedingungslosigkeit beruht, statt auf Kontrolle und Erwartungen.

Beispiele aus dem Leben

Lea war seit fünf Jahren mit Markus zusammen. Immer wieder hoffte sie, dass er sich ändern würde – dass er offener, liebevoller und engagierter in der Beziehung wäre. Doch jedes Mal, wenn sie versuchte, ihn zu „motivieren“, zog er sich weiter zurück.

Schließlich erkannte sie, dass sie den Markus, den sie in ihrem Kopf erschaffen hatte, loslassen musste, um den Markus zu entdecken, der mit ihr zusammen ist. Sie trauerte um diesen Traum und fand Frieden in der Akzeptanz, dass Markus sie auf seine eigene stille Weise liebt.

Julia und Ben waren seit einigen Monaten zusammen als Julia merkte, dass Ben immer mehr Freiraum brauchte. Statt ihn zu drängen mehr Zeit mit ihr zu verbringen, entschied sich Julia, die Realität anzunehmen und sich mit ihrer eigenen Verlustangst zu konfrontieren. Sie erkannte, dass ihre Angst vor Einsamkeit sie dazu brachte, an einer falschen Vorstellung von Nähe festzuhalten.

Indem sie diese Angst akzeptierte und losließ, konnte sie Ben immer mehr Raum geben und fand in der Trauer um ihre Erwartungen eine tiefere, ehrlichere Verbindung zu ihm. Ben fühlte sich nicht mehr bedrängt und fand neue Wege sich Julia von sich aus zu nähern.

Warum Trauer notwendig ist

Trauer ist das einzige Gefühl, das uns hilft die Realität, so wie sie ist, anzunehmen. Sie erlaubt uns, uns von den Illusionen zu lösen, die wir über unsere Beziehung und sämtliche anderen Gegebenheiten haben. 

Die Trauer ermöglicht uns, all das anzunehmen, was wir nicht ändern können oder wollen. Das betrifft sowohl das Leid in der Beziehung, als auch das Verarbeiten einer gescheiterten Beziehung nach einer Trennung. Der häufig unternommene Versuch, diese Missstände durch Wut, Angst, Hass oder Scham zu kompensieren kann nicht gelingen. Diese Verwechslung der Gefühle führt meistens zu immerwährendem Leid.

Anstatt den Partner zu drängen sich zu verändern, können wir durch die Trauer lernen ihn so zu akzeptieren wie er ist – mit all seinen Stärken, Ängsten und Schwächen. Für Menschen, die mit Bindungsängstlichen zusammen sind, bedeutet dies oft, sich von der romantischen Vorstellung zu verabschieden, dass die Beziehung so eng und verbunden sein sollte, wie wir es uns wünschen. Stattdessen können wir lernen diese Beziehung so zu sehen wie sie wirklich ist und in dieser Akzeptanz Frieden finden.

Auswege:  Wie du die Realität annehmen und Frieden finden kannst

Akzeptiere deine Trauer: Erkenne an, dass du trauern musst, um die Realität zu akzeptieren. Erlaube dir den Schmerz zu fühlen, der damit einhergeht. Lasse deine Erwartungen los und nimm dir für die Trauer die Zeit und Ruhe, die du für die Verarbeitung brauchst. Den Kampf gegen die Realität kannst du niemals gewinnen.

Reflektiere deine Erwartungen:

Frage dich, welche Erwartungen du an deinen Partner hast und warum das so ist. Sind deine Erwartungen realistisch und fair? Oder basieren sie auf einer idealisierten Vorstellung von Beziehung?

Social-Media, Filme und Magazine sind keine guten Ratgeber, wenn es um realistische Beziehungen und Erwartungen geht. Das meiste darin ist gefakt und aufpoliert und verspricht immerwährende Glückseligkeit, die es im Alltag nicht geben kann. Auch die Filme enden jeweils an der Stelle, wo auch hier der graue Alltag Einzug halten würde.

Kommunikation auf Augenhöhe:

Sprich offen und ehrlich mit deinem Partner über deine Ängste und Gefühle ohne Vorwürfe zu machen. Erkläre, wie seine Bindungsangst dich betrifft, aber auch, dass du bereit bist, an der Beziehung zu arbeiten, solange beide Seiten gehört werden. Nimm vor allem die Angst vor zu viel Nähe und das Bedürfnis nach Zeiten des Alleinseins ernst. Nähe zu erzwingen führt zwangsläufig zum Bruch.

Finde deine eigene Mitte:

Konzentriere dich auf deine eigenen Bedürfnisse und Interessen. Anstatt alles von deinem Partner zu erwarten finde Wege, dich selbst zu stärken und zu erfüllen. Es ist wichtig, dass du die Erfüllung deiner eigenen Bedürfnisse nicht von deinem Partner abhängig machst. Finde Freunde, Hobbys und Aufgaben, die dich glücklich machen. Dein Partner ist dafür nicht zuständig.

Verstehe die Paradoxien der Beziehungsdynamik:

Je mehr du dich deinem Partner aufzwängst oder Nähe erwartest, desto größer wird die Distanz zwischen euch werden. Je mehr Raum du deinem Partner zum Alleinsein gibst und selbst gut für dich sorgst, umso mehr wird sich dir dein Partner von sich aus nähern. Je mehr sich dein Partner zurückzieht, desto mehr macht dir dein Bindungssystem weis, dass diese Liebe die einzig Wahre in deinem Leben ist.

Suche professionelle Unterstützung:

Wenn du merkst, dass dir die Realität mehr Angst macht als deine Erwartung und du deinen Partner nicht so wie er ist akzeptieren kannst, kann eine Therapie helfen. Ein Therapeut hilft dir dabei durch den Prozess der Trauer zu gehen und neue Perspektiven auf deine Beziehung zu gewinnen. Das hilft dir ebenfalls dabei dich selbst mehr anzunehmen und dadurch deine Sicht auf die Welt und auf deine Beziehung völlig neu zu entdecken. Das gilt auch für die Bewältigug von Liebeskummer nach einer Trennung. 

Fazit

Die Realität anzunehmen ist ein schmerzhafter, aber notwendiger Schritt auf dem Weg zu einer gesunden Beziehung. Besonders in Beziehungen, in denen Bindungsangst eine Rolle spielt, kann das Loslassen von Erwartungen und Illusionen zu einer tiefen inneren Heilung auf beiden Seiten führen. Indem du dich der Trauer stellst und akzeptierst, dass die Dinge nicht zwangsläufig so sein müssen wie du sie dir wünschst, öffnest du die Tür zu einer neuen Art von Liebe – einer Liebe, die auf Akzeptanz, Respekt und echtem Verständnis wurzelt. Und genau das ist es was jede Beziehung braucht, um wirklich zu wachsen und zu gedeihen.

Mach dir dein Leben schön

Dein Uwe

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