So erkennst du den Unterschied – und dich selbst
Liebe oder Verlustangst – warum wir uns oft täuschen
Anna sitzt vor ihrem Handy. Schon wieder. Die Nachricht, die sie heute Morgen geschrieben hat, ist gelesen – aber unbeantwortet. Ihr Herz hämmert, tausend Fragen kreisen in ihrem Kopf: Ist er beschäftigt? Habe ich etwas falsch gemacht? Warum tut das so weh?
Und gleichzeitig: Warum kann ich nicht einfach abschalten? Warum fühle ich mich so abhängig von seiner Reaktion? Ist das Liebe – oder doch nur Verlustangst?
Was Anna erlebt, passiert täglich Millionen anderen. Es fühlt sich wie Liebe an – aber ist es nicht. Es ist Angst. Und sie tarnt sich gut.
Warum sich Verlustangst wie Liebe anfühlt
Verlustangst zeigt sich oft als intensives emotionales Erleben:
Du denkst ständig an die andere Person
Du spürst Sehnsucht, Schmerz, Hoffnung, Enttäuschung
Du idealisierst den anderen – und gibst dir selbst die Schuld, wenn etwas nicht stimmt
Du fühlst dich „nicht ganz“, wenn der andere sich distanziert
All das fühlt sich leidenschaftlich an. Tief. Bedeutsam. Aber der Ursprung ist oft ein anderer: ein inneres Loch, das sich nur schwer mit echter Nähe füllen lässt.
Verlustangst entsteht oft aus alten Wunden – zum Beispiel aus frühen Erfahrungen von Ablehnung, Unsicherheit oder emotionaler Vernachlässigung. Die Angst, wieder verlassen zu werden, ist so groß, dass jede emotionale Entfernung Panik auslöst. Und diese Panik wird mit Liebe verwechselt.
Liebe oder Verlustangst: Was ist dein Tatmotiv?
Es gibt zwei zentrale Motive, die uns in Handeln bzw. zum Vermeiden bewegen. Wir tun etwas aus Angst oder aus Liebe. Dies gilt für dein ganzes Leben, doch beim Thema Verlustangst wird es besonders deutlich.
Sämtliche Vermeidungsziele, oder anders gesagt „weg-von-Motivationen“ sind aus Angst gemacht. Der Gedanke dahinter ist meist „, wenn ich zu mir stehe, werde ich verlassen, zurückgewiesen oder abgelehnt“. Es ist ein Hamsterrad ohne Aussicht auf Erlösung.
Natürlich kann ich für einen geliebten Menschen auch ohne Angst auf meine Bedürfnisse und Werte verzichten. Doch pass gut auf, wir Verlustängstlichen sind Meister im Schönreden. Die ehrliche Frage ist: „Bin ich mir meiner Werte und Bedürfnisse bewusst, und entscheide ich mich dennoch aus Liebe zum anderen dafür, in diesem Fall darauf zu verzichten?“
Spüre dich in beide Szenerien rein – das Gefühl dabei ist ein völlig anderes. Während das Handeln aus Angst ein schales Gefühl mit Frust und Beklemmung hinterlässt, ist das Gefühl nach dem Handeln aus Liebe, Glück und Dankbarkeit. Angst spielt hier keine Rolle, es ist eine klare Entscheidung.
Was echte Liebe anders macht
Echte Liebe ist ruhig. Sie schenkt Sicherheit statt Drama.
Sie braucht keine ständige Bestätigung, kein gedankliches Karussell, keine Überanpassung. In echter Liebe darfst du sein, wie du bist – mit Nähe und Freiraum, mit Verletzlichkeit und Stärke.
Echte Liebe ruft nicht ständig Angst hervor – sondern Vertrauen.
Sie fühlt sich nicht ständig aufregend an, aber tief und verlässlich.
Du musst dich nicht verbiegen, du darfst sprechen – und wirst gehört.
Checkliste: Liebe oder Verlustangst?
Klicke dich durch die Aussagen und spüre in dich hinein:
1. Ich fühle mich emotional abhängig von der anderen Person.
2. Ich denke ständig darüber nach, was ich falsch gemacht haben könnte.
3. Ich habe Angst, etwas Falsches zu sagen oder zu tun.
4. Ich fühle mich schlecht, wenn er/sie sich nicht meldet.
5. Ich passe mich stark an, um Nähe zu erhalten.
6. Ich habe oft das Gefühl, nicht gut genug oder liebenswert zu sein.
7. Ich kann nur schwer loslassen – auch wenn es mir nicht guttut.
8. Ich verwechsle Nähe mit Kontrolle.
9. Ich habe Angst, dass ich ohne diese Beziehung verloren bin.
9. Ich stelle die Beziehung über all meine Werte und Bedürfnisse.
10. Ich fühle mich besonders von emotional schwer erreichbaren Menschen angezogen.
11. Ich erwarte und kontrolliere, statt zu vertrauen.
Trifft vieles davon zu?
Dann könnte es sein, dass du dich mehr von deiner Verlustangst als von echter Liebe leiten lässt. Und das ist nichts, wofür du dich schämen musst. Es ist ein Hinweis – ein Ruf deines inneren Kindes, das gesehen und gehalten werden möchte.
Wie du aus dem Muster aussteigst
- Erkenne den Unterschied: Werde dir bewusst, was du fühlst – und warum. Ist es Sehnsucht oder Angst? Nähe oder Abhängigkeit?
- Sprich darüber: Such dir jemanden, mit dem du offen über deine Gefühle sprechen kannst – idealerweise jemanden, der dich nicht bewertet.
- Stärke deinen Selbstwert: Je stärker deine Verbindung zu dir selbst, desto weniger brauchst du emotionale „Bestätigung von außen“.
- Akzeptiere dich in Liebe: Nimm dich selbst mit deinen Schwächen und Makeln an. Du bist liebenswert, so wie du bist. Erst wenn du dich bedingungslos liebst, kannst du glauben, dass es ein anderer tut.
- Hol dir Unterstützung: Verlustangst ist heilbar. In einem geschützten Rahmen (z. B. Coaching oder Therapie) kannst du lernen, neue Bindungsmuster zu entwickeln.
- Gib dir Zeit: Liebe heilt, aber sie braucht Raum. Überfordere dich nicht – jeder Schritt zählt.
Fazit: Liebe oder Verlustangst – erkenne den Unterschied, um frei zu lieben
Verlustangst fühlt sich wie Liebe an. Aber echte Liebe macht dich nicht kleiner – sie macht dich freier.
Wenn du spürst, dass du dich immer wieder in ähnliche Muster verstrickst, ist das kein Versagen, sondern eine Einladung: Wachse da raus, wo du dich verloren hast.
Und fang an, wirklich zu lieben – zuerst dich selbst.
Dein Uwe
P.S. Zu vielen Themen gebe ich ganz private Einblicke in mein Leben und mein Learning. Falls dich das interessiert, lies unter dem roten Button weiter…
Wie das Thema der Woche mich betrifft
Jahrzehntelang war ich voller Selbstzweifel und Schamgefühle, und teilweise ist das auch heute noch so. Doch je mehr ich mich selbst ablehnte, desto überzeugter war ich, dass es auch alle anderen tun. Mein Schwächen-Zoom richtete ich gnadenlos gegen mich selbst. Äußerliche Makel, innere Schwächen, negative Überzeugungen und immer der Vergleich mit all den perfekten Menschen da draußen. Da kann ich nicht mithalten – keine Chance. Natürlich war ich überzeugt, dass all die anderen Menschen meine Makel sofort wahrnehmen und mich ablehnen. Warum sollte sich also jemand ausgerechnet für mich entscheiden? Wie verderbe ich meine BeziehungIn der Verliebtheitsphase vieler Beziehungen spürte ich diese Selbstzweifel kaum, die rosarote Brille wischte das weg. Doch wenn es ernst wurde, und die ersten Probleme auftauchten, wusste ich: „Sobald sie erkennt, wie unperfekt ich bin, verlässt sie mich“. Nun ist die Frage, wer von uns beiden autonomer ist, oder anders ausgedrückt, wer hat mehr Angst vor Nähe? Denn das ist die entscheidende Frage, ob ich bindungsängstlich davonlaufe oder verlustängstlich hinterherrenne. Da dieser Artikel von Verlustangst handelt, konzentrieren wir uns darauf.Meine Partnerin distanziert sich aus irgendeinem Grund von mir, meistens weil sie den Abstand einfach für sich selbst braucht. Also nicht gegen mich, sondern für sich. Vielleicht sagt sie das sogar. Und nun geht das Spiel los. Ich weiß ja, dass ich nicht liebenswert bin, und offensichtlich hat sie es nun gemerkt. Natürlich redet sie sich raus und beteuert, dass sie mich liebt und nur etwas Raum braucht, aber ich weiß es besser. Ich habe etwas falsch gemacht, zu viel erwartet, und natürlich hat sie meine Maske durchschaut, hinter der ich all meine Makel versteckte. Jetzt muss ich aufpassen, kontrollieren und mich verbiegen, sonst ist sie weg. Das fühlt sich an wie Sterben. Von nun an geht es nicht mehr um diese Partnerin, und auch nicht mehr um Liebe. Es geht gefühlt ums Überleben. Mein inneres Kind steht vor seiner größten Angst und seiner größten Überzeugung. Ich muss alles tun, um dies abzuwenden. Ist es also Liebe oder Verlustangst? Wie rette ich meine Beziehung?Indem ich mich selbst rette. Ich fing an, mir ein guter Freund zu sein und mich zu mögen. Ich verglich mich nicht mehr mit Supermodels und irrealen Schönheitsidealen. Ein paar Stunden in einem Café die Menschen in der Fußgängerzone zu beobachten, ist sehr heilsam. Das ist der echte Querschnitt an Attraktivität. Da schnitt ich gar nicht schlecht ab. Ich stellte mir vor, dass mir mein Double gegenübersteht, welches die gleichen Schwächen und Makel hat wie ich. Wenn das mein Freund wäre, fände ich ihn echt okay. Nicht supertoll, aber wirklich okay. Demnach beschloss ich, mir dieser gute Freund zu sein und nicht mehr mein fiesester Kritiker. Dann sah ich mir meine Schwächen an, und fand nach etwas Überlegen für jede dieser Schwächen eine Stärke, die ich entwickelt hatte, um die Schwäche zu umschiffen. Und was soll ich sagen, meine Schwächen waren mir und meinem Umfeld sehr nützlich. Ich sehe sie nun in einem anderen Licht und kann sie annehmen. Sie sind ein Teil von mir und meiner Geschichte. Schritt für Schritt sah ich mir meine Überzeugungen und Schwächen an und bewertete sie neu. Zusammen mit dem Verständnis meiner Schutzstrategien kann ich heute eine echte Beziehung auf Augenhöhe eingehen. Ich bin kein Bittsteller mehr. Ich weiß, dass ich es wert bin. FazitMeine Freundin darf echt dankbar sein, mit mir zusammen sein zu können. Denn neben meinen Schwächen habe ich vieles zu bieten, das nicht selbstverständlich ist. Nicht zuletzt, dass ich mit mir größtenteils im Reinen bin und nicht mehr meine Schwächen auf sie projiziere, wie ich es früher gemacht hätte. Ich bin mit ihr zusammen, weil ich es will, und nicht, weil ich es muss. Ich entscheide mich jeden Tag aufs Neue für sie, und sie sich für mich. Das ist Liebe ohne Kontrolle und mit echtem Vertrauen. Vertrauen zunächst in mich selbst, und dann auch in meine Freundin. Ich glaube ihr, dass sie mich liebt, weil ich mich selbst liebe. Falls sie mich eines Tages nicht mehr lieben sollte, ist das in Ordnung, denn dann liebe ich mich immer noch und werde es überleben.
Handelst du aus Liebe oder Verlustangst? Wie fühlst du dich nach deiner Entscheidung? Liebst du dich, so wie du bist? Glaubst du, dass du bedingungslos liebenswert bist? |
Mach dir deine Beziehung schön,
Dein Uwe
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Themenstruktur "Bindungsangst"
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