Gedanken beobachten: Glaub nicht alles was du denkst.

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Wie du aus dem Gedankenkarussell aussteigst und deine Beziehung rettest.

Gedanken beobachten – Warum wir unsere Partnerschaft kaputtdenken und wie Bewusstheit das heilt.

Ich weiß noch, wie es sich anfühlte: ein kurzes Nichtmelden, ein leerer Chat, und in meinem Kopf entstand ein Film. Innerhalb von Sekunden kann ich ganze Katastrophen drehen: „Er meldet sich nicht – er hat sich längst anders entschieden.“ Meine Brust verkrampfte, das Herz raste, und ehe ich mich versah, tippte ich eine Nachricht, die alles komplizierter machte.

Später, in der Stille, fragte ich mich: War das real? Oder habe ich mir nur wieder etwas erzählt? Die Antwort veränderte alles. Als ich anfing, meine Gedanken zu beobachten, geschah etwas Merkwürdig Schönes: Die Gedanken blieben Gedanken. Sie wurden nicht mehr zum Drehbuch, das mein Leben und meine Gefühle steuert.

Warum wir alles glauben, was wir denken – und wie das Liebesbeziehungen kaputtmacht

 

Gedanken fühlen sich meist wie Fakten an. Das liegt daran, dass unser Gehirn Co-Pilot spielen will: schnell interpretieren, schnell handeln – um zu schützen. Für Menschen mit Verlustangst oder Bindungsangst laufen alte Überlebensprogramme mit:

  • Ein Gedanke wie „Ich bin nicht genug“ wird zur inneren Wahrheit.
  • Jede Pause im Kontakt wird zur Bestätigung der schlimmsten Befürchtung: „Er zieht sich zurück.“
  • Wir reagieren reflexhaft – klammern, beschuldigen, fliehen – und erzeugen damit genau das, wovor wir Angst hatten.

Wenn du lernst, deine Gedanken zu beobachten, hörst du auf, in diesen Automatismus zu verfallen. Du schaffst Raum. Raum für andere Erklärungen. Raum dafür, zu fragen statt zu interpretieren. Und oft entsteht daraus echte Verbindung statt Drama.

 

Typische Muster bei Bindungs- und Verlustangst

  • Kausalspringen: „Er ist still → er will mich nicht mehr.“
  • Katastrophisieren: Aus „Er hat nicht geantwortet“ wird „Er hat sich neu verliebt / verlässt mich“.
  • Gedanken als Identität: „Ich denke, ich bin nicht liebenswert“ → daraus wird „Ich bin nicht liebenswert“.
  • Automatische Handlung: Gedanke → Impuls → Reaktion (Nachricht, Vorwurf, Rückzug).

Gedanken beobachten unterbricht diese Kette. Nicht, indem du die Gedanken wegdrückst – sondern indem du sie wahrnimmst, hinterfragst und dann neu wählst.

 

Glaub nicht alles, was du denkst

Du bist nicht dein Körper, dein Fühlen und dein Denken. Du bist das Bewusstsein, in dem dein Körper mit seinen Gefühlen und Gedanken wohnt. Aus diesem Bewusstsein heraus kannst du diese wahrnehmen, ohne dich damit zu identifizieren. Aus deinem Bewusstsein ist es möglich, deine Gedanken und Gefühle zu beobachten, und aktiv einzugreifen.

Wir führen pausenlos einen Monolog mit uns selbst. Wir streiten, diskutieren, befürchten, drohen und führen Kriege. Wir durchleben Storys, die es niemals geben wird, und glauben, das wäre real. Währenddessen sind wir weder im Hier noch im Jetzt. Kaum etwas davon wird jemals geschehen, doch jeder Gedanke erzeugt Gefühle als Reaktion des Unterbewusstseins auf diese Gedanken. Diese Gefühle erleben wir durchaus real, und die wenigsten sind positiv.

Wenn du jetzt denkst: „So eine Stimme in mir habe ich nicht, das ist doch Quatsch“ – dann ist das genau diese Stimme.

Unsere Gedanken ziehen wie Wolken durch unseren Kopf. Sie kommen und ziehen davon. Wenn allerdings ein triggernder Gedanke kommt, halten wir den Gedanken wie gebannt fest. Wir drehen und wenden ihn, interpretieren, leiden darunter und lassen ihn nicht mehr los. Dabei ist Loslassen auch in diesem Fall viel leichter als Festhalten. Beobachten – Hinterfragen – bewusst loslassen.

 

Praktische Wege: Wie du lernst, deine Gedanken zu beobachten

Diese Werkzeuge helfen dir, Abstand zu gewinnen – Schritt für Schritt:

  1. Dissoziiert zuhören: Sag innerlich: „Mein Kopf hat gerade den Gedanken, dass …“ (z. B. „In meinem Kopf ist der Gedanke, dass mein Partner mich verlässt.“)
  2. Atmen: Drei lange, bewusste Atemzüge – das beruhigt das Nervensystem.
  3. Kurzzeit-Delay: Warte 5–10 Minuten, bevor du reagierst. Kleine Regel: keine impulsiven Nachrichten.
  4. Schreib es kurz auf: Gedanken – Gefühl – Körperempfindung. Das schafft Klarheit.
  5. RAIN-Prinzip: Recognize (erkennen), Allow (zulassen), Investigate (untersuchen), Nurture (mitfühlen).
  6. Körper-Check: Erde dich. Fühle deine Füße auf dem Boden, nimm 3 Dinge im Raum wahr – Grounding bringt Abstand.
  7. Frage, statt zu interpretieren: „Ich habe gemerkt, dass ich unruhig werde. Ist gerade alles gut bei dir?“
  8. Regelmäßige Übung: Diese Beobachtungsübung täglich verankern. Auch vergangene Situationen sind wunderbar geeignet, dein Denken zu hinterfragen.
 
 

Checkliste: Belastende Situationen – mit identifizierten vs. beobachteten Gedanken

Nutze die Tabelle als Spiegel: Sie macht sichtbar, wie sehr die Reaktion von der Identifikation mit dem Gedanken abhängt.

Wie ich mich in Gedanken verliere – und mich dann aus dem Bewusstsein heraus beobachte

Letzte Woche war meine Partnerin viel länger aus als sonst. Sofort schoss mein Gedanke los: „Sie hat sich anders entschieden.“ Mein Körper zog sich zusammen. Früher hätte ich sofort eine verzweifelte Nachricht geschickt, vielleicht Vorwürfe, ein Drama. Diesmal passierte etwas anderes:

  1. Ich spürte zunächst den Impuls: Herzrasen, kalte Hände.
  2. Ich sagte mir leise: „In meinem Kopf ist gerade der Gedanke, dass sie mich verlässt.“ – und stellte ein Fragezeichen dahinter.
  3. Ich stoppte den Gedanken und hinterfragte seine Berechtigung.
  4. Ich atmete dreimal tief aus und berührte meine Brust – ein kleiner Bodyscan.
  5. Ich schrieb mir in zwei Sätzen auf: Gedanke = ‚verlassen‘; Gefühl = Angst und Ohnmacht; Körper = Enge im Brustkorb.
  6. Ich beobachtete, wie der Gedanke kam und ging – ohne mich mit ihm zu identifizieren. Mit ihm gingen auch die beklemmenden Gefühle.
  7. Nach zehn Minuten schrieb ich ruhig: „Ich war gerade kurz unruhig. Alles okay bei dir?“ – statt Vorwürfe und Drama.

Sie antwortete, erklärte, warum es später war. Keine Eskalation. Ich hatte gelernt, meine Gedanken zu beobachten – und dadurch die Wahl zu haben, wie ich meine Beziehung und mein Leben gestalte.

Warum sich das Üben lohnt – und wie du dranbleibst

Gedanken beobachten ist keine Einmal-Aktion. Es ist eine Haltung, ein Trainingsfeld. Zu Beginn kostet es Geduld: Die alten Reflexe melden sich laut. Doch je öfter du beobachtest, desto seltener wirst du versinken. Du gewinnst:

  • Mehr Klarheit statt Verwirrung,
  • Mehr Raum statt Reaktivität,
  • Mehr echte Gespräche statt Missverständnisse.
  • Neue Wege statt alte Schutzstrategien.
  • Mehr Gelassenheit und Leichtigkeit.
  • Weniger Drama und selbsterfüllende Prophezeiungen.

Wenn du heute klein beginnen willst: Notiere dir, wenn du mal wieder innerlich hochfährst, einfach den ersten Gedanken – nur das. Das simple Festhalten macht schon etwas frei.

Du musst nicht alle Gedanken glauben, nur weil sie laut sind. Übe, deine Gedanken zu beobachten – und erlebe, wie Nähe in deiner Beziehung wieder leichter und ehrlicher möglich wird.

Mach dir dein Leben schön

Dein Uwe

P.S. Zu vielen Themen gebe ich ganz private Einblicke in mein Leben und mein Learning. Falls dich das interessiert, lies unter dem roten Button weiter…

Wie das Thema der Woche  mich betrifft

Die Macht des „Gedanken beobachten“ entdeckte ich lange Zeit, bevor ich mich mit meinen Beziehungen beschäftigte. Doch es verhalf mir im Rückblick zu viel mehr Gelassenheit in sämtlichen Beziehungsthemen. Es war kurz nach meinem Zusammenbruch, als mich mein ganzes Leben auf den Prüfstand stellte.

Mein Kopf war voll mit Urteilen, Gejammer, Schuldzuweisungen, Selbstmitleid und Drama. Ich führte gedanklich unendliche Diskussionen mit Mitarbeitern oder Familienmitgliedern, welche in echt niemals stattfanden. Ich steigerte mich in banale Gegebenheiten hinein und pumpte sie zum filmreifen Drama auf. Und ich glaubte jedes Wort, das ich dachte.

Wie du dir vorstellen kannst, ging es mir damit überhaupt nicht gut. Ich hatte Magenschmerzen vor Wut, ich verspannte mich und versank so tief in meinem Gedankensumpf, dass ich von der Realität im Hier und Jetzt nichts mehr mitbekam. Vom Weg in die Firma bekam ich meist nichts mehr mit. Erst als ich dort ankam, fand ich Ablenkung im täglichen Tun und fragte mich oft, wie ich hergekommen war.

Es verändert NICHTS

Als ich herausfand, dass ich nicht meine Gedanken bin, begann ich, mein automatisches Tun zu hinterfragen. Ich begriff, dass ich dauernd litt – sich aber an der Situation überhaupt nichts veränderte. Ich versaute mir meine Laune nur jeden Tag aufs Neue, was natürlich neue Situationen erzeugte, die ich in meinem Gedankenkarussell zerdachte.

Ich machte mich zum Opfer meines Denkens. Ich konnte nicht gewinnen – ich stritt ja mit mir selbst. Echte Konfrontationen vermied ich – denn ich machte es lieber mit mir selbst aus.

Mein Hier-und-Jetzt-Wald

Auf dem Weg in die Firma, durchquerte ich einen größeren Wald, welchen ich für mich als Anker ins Hier und Jetzt auswählte. Immer wenn ich in den Wald fuhr, beobachtete ich meine Gedanken. Da sie meistens nicht nützlich waren, ließ ich sie los,und kehrte in meine Präsenz und in die Realität zurück. Das funktionierte erstaunlich gut, denn sobald ich beobachtete, was ich da dachte, merkte ich, wie nutzlos diese Gedanken waren.

Ich nahm wahr, dass die Sonne scheint, wie schön der Wald ist, dass ich in Sicherheit bin, dass es mir gut geht. Dinge, die durch meine Gedanken komplett ausgeblendet waren. Ich nahm mit der Zeit immer häufiger die Beobachterposition ein, bis ich wie heute meist in Echtzeit merke, wenn ich nach einem Gedanken greifen will, den ich besser loslasse.

Das hat nichts mit Vermeiden zu tun. Wenn es etwas zu klären gibt, muss darüber gesprochen werden. Allerdings ist es nicht zielführend, diesen Dialog alleine in deinem Kopf zu führen. „In Beziehung gehen“ bedeutet, diese Gespräche mit dem Partner zu führen, auch wenn das unbequem ist. Das echte Gespräch bringt Klarheit und meist Lösungen – doch das Grübeln erzeugt nur Leid auf beiden Seiten.

Das Beste daraus machen

Statt den Schuldigen zu suchen oder eine belastende Story zu konstruieren, überlege ich sofort, ob ich die Situation ändern kann, und wenn ja, was der nächste Schritt ist. Wenn ich nichts ändern kann oder will, suche ich nach einer guten Lösung, um das Beste aus der Lage zu machen.

Insbesondere nachts ist das „Gedanken beobachten“ einfach unschlagbar. Wenn ich früher nachts mal raus musste, fing ich irgendeinen Gedanken ein und konnte dann nicht mehr einschlafen. Heute merke ich das sofort, und kann direkt loslassen und weiterschlafen.

Im Beziehungskontext ist das ähnlich. Sobald ich einen Gedanken beobachte, der angeblich weiß, warum meine Freundin irgendetwas gemacht, gesagt oder unterlassen hat, lasse ich ihn los. Denn ich weiß mittlerweile, dass ich die Intention dahinter nicht erraten werde. Es gibt unzählige Gründe, so zu handeln, und die meisten davon sind wohlwollend. 

Was ich ersinne, hat bestenfalls etwas mit mir, und meinen eigenen Themen zu tun, bestimmt aber nicht mit meiner Partnerin. Wenn die Sache mir wirklich wichtig ist, frage ich jetzt offen nach, ansonsten lasse ich den Gedanken zusammen mit dem damit verbundenen Leid los.

Reflexion

Bist du deine Gedanken?

Glaubst du alles, was du denkst?

Mit wem haben deine Gedanken mehr zu tun? Mit dir, oder deinem Gegenüber?

Was verändert sich, wenn du deine Gedanken glaubst?

Was verändert sich, wenn du den Gedanken loslässt?

Was könnte dich daran erinnern?

Mach dir deine Beziehung schön,

Dein Uwe

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Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Nicole

    Wunderbar beschrieben. 🍂🍂!!

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