Wenn Fürsorge zur Selbstaufgabe wird.
Viele Menschen mit Bindungsangst oder Verlustangst kennen dieses Muster nur zu gut.
Sie übernehmen unbewusst die Verantwortung für das emotionale Wohlbefinden ihres Partners.
- Ich passe mich an, damit du glücklich bist
- Ich halte meine Bedürfnisse zurück, um keinen Druck zu machen
- Ich denke voraus, plane, reguliere, beruhige
- Ich stelle die Harmonie über die Ehrlichkeit
- Ich bin stark – für dich
Was sich nach Liebe anfühlt, ist oft etwas anderes: Angst, nicht zu genügen. Angst, verlassen zu werden. Angst, zu viel zu sein.
Und so wird „das Beste für dich“ zur stillen Vereinbarung:
Ich kümmere mich um dich – damit du bleibst.
Die unsichtbare Dynamik: Kontrolle statt Verbindung
Was gut gemeint ist, hat Folgen.
Denn, wenn ich dein Glück zu meiner Aufgabe mache, passiert etwas Entscheidendes:
- Du wirst unbewusst entmündigt
- Ich verliere meine Grenzen
- Nähe fühlt sich irgendwann eng an
- Freiheit wird durch Erwartungen ersetzt
Der Partner spürt diesen Druck – auch wenn er nie ausgesprochen wird.
Nicht selten reagiert er mit Rückzug, Gereiztheit oder Distanz.
Und dann beginnt das Drama:
„Ich tue doch alles für dich – warum reicht es nicht?“
Bindungsangst & Verlustangst: Zwei Seiten derselben Medaille
In dieser Konstellation treffen sich oft zwei unbewusste Strategien:
- Verlustängstliche geben sich selbst auf, um Nähe zu sichern
- Bindungsängstliche spüren den Erwartungsdruck und ziehen sich zurück
Beide leiden.
Beide wollen Nähe.
Beide verlieren sie – aus Angst.
Und beide rechtfertigen es innerlich mit demselben Satz:
„Ich will doch nur das Beste für dich.“
Bilanz: Absicht vs. Ergebnis
Diese ehrliche Gegenüberstellung kann ein Gamechanger sein:
Meine Absicht
- Ich will dich unterstützen
- Ich will, dass es dir gut geht
- Ich will Harmonie
- Ich will unsere Beziehung schützen
Das Ergebnis
- Ich bin erschöpft
- Ich spüre mich kaum noch
- Ich sage selten, was ich brauche
- Mein Partner fühlt sich kontrolliert oder unter Druck
- Nähe fühlt sich nicht mehr leicht an
Wenn Absicht und Ergebnis nicht übereinstimmen, braucht es einen Kurswechsel.
Der Wendepunkt: Als ich Selbstfürsorge entdeckte
Der Moment kam nicht laut.
Er kam in der Stille nach einem Streit.
Ich saß da und fragte mich zum ersten Mal nicht:
Was braucht mein Partner?
Sondern:
Was brauche eigentlich ich?
Diese Frage fühlte sich ungewohnt an. Fast egoistisch.
Und gleichzeitig ehrlich.
Ich begann:
- meine Gefühle zu erforschen und ernst zu nehmen
- Pausen zu machen, ohne sie zu erklären
- Nein zu sagen, ohne mich zu rechtfertigen
- Verantwortung für mein eigenes Glück zu übernehmen
Und etwas Unerwartetes geschah:
Die Beziehung entspannte sich.
Weniger Kontrolle.
Mehr echte Nähe.
Mehr Augenhöhe.
Raum für echte Verbindung.
Nicht, weil ich weniger liebte –
sondern weil ich aufhörte, mich selbst zu verlieren.
Auswege: Wie „das Beste für dich“ wieder gesund wird
- Trenne Verantwortung
Du bist nicht für das emotionale Gleichgewicht deines Partners zuständig. - Übersetze Fürsorge in Selbstfürsorge
Nähe entsteht nicht durch Aufopferung, sondern durch Präsenz. - Sprich Bedürfnisse aus – statt zu erwarten, dass er sie fühlt
Klarheit ist liebevoller als stilles Aushalten. - Erlaube deinem Partner, selbst zu wachsen
Helfen heißt manchmal: nicht einzugreifen. - Frage dich regelmäßig:
Tue ich das aus Liebe – oder aus Angst?
„Das Beste für dich“ beginnt bei dir
Eine Beziehung wird nicht gerettet, indem einer alles gibt.
Sondern indem beide bei sich bleiben.
Vielleicht ist das Beste für dich gar nicht, dass ich mich vergesse.
Sondern dass ich mich zeige.
Echt. Spürbar. Verantwortlich.
Denn erst dann wird aus gut gemeint auch gut gemacht.
Dein Uwe
P.S. Zu vielen Themen gebe ich ganz private Einblicke in mein Leben und mein Learning. Falls dich das interessiert, lies unter dem roten Button weiter…
Wie das Thema der Woche mich betrifft
Mein unbewusstes Beuteschema war lange Zeit auf Partnerinnen ausgerichtet, bei denen mein Helfersyndrom zum Einsatz kommen konnte. Mein Auftrag – sie retten, indem ich sie glücklich mache. Die Themen waren unterschiedlicher Natur, und spielen hier keine große Rolle. Ich brauchte es, die Verantwortung für das Glück meiner Partnerin zu tragen, genau wie damals für meine Eltern.
Das fiel mir leicht – entsprach es doch meinen geprägten Mustern. In der kindlichen Überanpassung entwickeln wir eine hohe emotionale Intelligenz. Schließlich war es immer wichtig, andere Menschen zu lesen, um deren Stimmung und Bedürfnisse zu erfühlen. Ich weiß, was du brauchst, und ich will das Beste für dich.
Meine eigenen Gefühle und Bedürfnisse dabei zu vergessen, gehört zum Spiel, denn wenn ich etwas anderes will als meine Partnerin, habe ich einen inneren Konflikt, und diesen Schmerz will ich nicht fühlen. Wie gut, dass ich mich schon als Kind von meinen Bedürfnissen abgeschnitten habe. Ich wusste ja immer: „Wie es mir geht, spielt keine Rolle, wichtig ist nur, dass es dir gut geht.“
Dass keine dieser Beziehungen lange überlebt hat, sollte Grund zum Nachdenken geben. Im Grunde waren es auch keine Beziehungen, denn ich kam in diesen Verbindungen nicht wirklich vor. Wir gingen ja nicht in Beziehung. Ich zeigte mich nicht mit dem, was mich ausmacht, sondern als das, was ich glaubte, was sie erwartet. Und meine Rolle als verständnisvoller Zuhörer und Fels in der Brandung beherrschte ich im Schlaf.
Hier gibt es keine Augenhöhe
Um gerecht zu bleiben: Keine meiner Partnerinnen hat von mir erwartet, meine Gefühle und Grenzen zu missachten. Das habe ich ganz freiwillig gemacht. Ich hatte doch schon als Kleinkind gelernt, dass Beziehungen auf diese Weise funktionieren. Nicht sie haben sich über mich gestellt, sondern ich habe mich untergeordnet, weil ich gelernt hatte, dass mir meine Bedürfnisse nicht zustehen.
Doch ich gab ihnen die Schuld dafür, dass sich die Beziehung so schwer anfühlte. Meine einzige Chance, ich selbst zu sein, fand ich in den Stunden der Distanz, welche ich mir immer wieder mit teils abenteuerlichen Ausreden herausnahm. In dieser Zeit tankte ich wieder meine verausgabte Energie, und fand ein Stück zu mir selbst zurück.
Heute weiß ich: Ich machte durch mein Verhalten nicht nur mich selbst zum Opfer der Beziehung, sondern auch meine Partnerinnen. Auch sie wollten das Beste für mich, doch dies konnte ich nicht annehmen. Sie verstanden meine Distanzierungen nicht, und stellten sich selbst infrage. Zu empfangen oder mich mit meinen Schattenseiten zuzumuten, fällt mir noch heute schwer.
Das Learning
Statt ständig das Beste für dich zu wollen, darf es heute auch mal das Beste für mich sein. Denn in mir ist keiner zu Hause, wenn ich nur im Außen bin. Selbstfürsorge ist das Zauberwort, und das hat nichts mit Egoismus zu tun. Wenn ich mich weder fühle noch zeige, finde ich in der Beziehung nicht statt. Wie könnte ich gesehen werden, wenn ich mich nicht zeige?
Doch um mich zu zeigen, brauche ich erst einmal Kontakt zu mir selbst. Zu meinen Bedürfnissen, und meinen Gefühlen. Und das funktioniert viel besser, wenn keine Erwartungen von außen dagegenstehen – ich also sein kann, und ich nicht funktionieren muss. Nun kann ich aktiv für meine Energie und mich selbst sorgen.
Nach einigem Üben spüre ich mich viel mehr selbst, und kann nun meine Bedürfnisse auch vor meiner Partnerin kundtun. Das macht mir manchmal immer noch Angst, doch ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich dafür nicht verurteilt, oder abgelehnt werde. Dies gibt mir den Mut, mich jeden Tag ein kleines Stück mehr zu zeigen.
Reflexion
Willst du das Beste für deinen Partner?
Wie gut findet dein Partner das?
Seid ihr damit auf Augenhöhe?
Wie gut bist du mit dir verbunden?
Dürfen deine Schattenanteile sichtbar werden?
Mach dir deine Beziehung schön,
Dein Uwe
Teile diesen Beitrag ganz einfach mit einem Klick auf:
Themenstruktur "Selbstbewusstsein stärken"
Wie hilfreich war dieser Beitrag?
Klicke auf die Sterne um zu bewerten!
Durchschnittliche Bewertung 5 / 5. Anzahl Bewertungen: 1
Bisher keine Bewertungen! Sei der Erste, der diesen Beitrag bewertet.
Es tut uns leid, dass der Beitrag für dich nicht hilfreich war!
Lasse uns diesen Beitrag verbessern!
Wie können wir diesen Beitrag verbessern?