Wenn du dich selbst verlierst: Hyperempathie und ihre Auswirkungen auf deine Beziehung

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Hyperempathie bzw, zu hohe Empathie. Wenn du dich selbst verlierst.

Weiß dein Partner, wer du wirklich bist?

Es ist eine wunderbare Gabe, die Gefühle und Bedürfnisse anderer tief zu verstehen. Doch was passiert, wenn diese Fähigkeit dich so sehr einnimmt, dass du dich selbst darin verlierst? Hyperempathie kann eine Beziehung auf eine Weise beeinflussen, die zunächst unsichtbar erscheint, aber tiefgreifende Auswirkungen hat. In diesem Artikel gehe ich darauf ein, wie du in deiner Beziehung den Weg zurück zu dir selbst findest, ohne deine Empathie zu verlieren.


Was ist Hyperempathie?

Hyperempathie beschreibt die übermäßige Fähigkeit oder Neigung, die Gefühle und Bedürfnisse anderer wahrzunehmen und zu übernehmen. Während Empathie eine wertvolle Eigenschaft ist, kann Hyperempathie dazu führen, dass du deine eigenen Bedürfnisse und Grenzen vernachlässigst, um anderen zu gefallen oder ihnen zu helfen. Häufig dient Hyperempathie auch dazu, dich vor Launen, Wutausbrüchen oder Übergriffen deines Partners zu schützen, noch bevor er selbst diesen Impuls wahrnimmt.

Der Ursprung der Hyperempathie liegt häufig in unserer Kindheit, wenn wir keine verlässliche Bindung zu unseren Bezugspersonen aufbauen konnten, weil z. B. die Mutter sehr launisch oder egoistisch war. Wenn Nähe nur dann stattfindet, wenn Mama danach ist, finden wir kein Muster, wie wir diese Nähe erlangen können.

Doch als Kind brauchen wir diese Nähe, und glauben, dass wir selbst schuld sind, wenn wir keine Geborgenheit bekommen. Der Gedanke, dass mit Mama etwas nicht stimmt, ist uns als Kind verwehrt, also versuchen wir mit aller Macht, die Aufmerksamkeit zu bekommen, nach der wir uns so sehnen.

Wir bilden unglaublich feinfühlige Antennen aus, um empathisch die Gemütsverfassung der Mutter zu erfassen. So ist es uns möglich, ihr alles zu geben, was sie gerade zu brauchen scheint, damit sie wieder lieb und zugewandt ist.


Hyperempathie und Bindungsangst

Menschen mit Hyperempathie sind fast immer auch bindungsängstlich, da der Verlust eines Partners mit totalem persönlichem Versagen gleichgesetzt wird. Schließlich haben sie dann offensichtlich die Bedürfnisse und Gefühle des Partners nicht richtig erkannt, und fühlen sich demnach für das Scheitern allein verantwortlich.

Wenn wir aber mit unseren Antennen ständig im außen sind, verlieren wir den Blick nach innen, und schneiden uns selbst von unseren eigenen Bedürfnissen und Gefühlen ab. Schon als Kind haben wir gelernt, dass die eigenen Bedürfnisse stören, wenn wir die von anderen erfüllen müssen.

Die Beziehungsdynamik wird also unbewusst weitgehend dadurch bestimmt, dass wir für den anderen da sind, um ihn an uns zu binden. Da wir mit diesem Muster häufig einen Partner finden, dessen Nähe und Liebe ebenfalls nicht einschätzbar ist, stehen wir vor dem gleichen Dilemma wie damals als Kind mit Mama oder Papa.

Doch mit jedem Versuch gegen unsere Bedürfnisse und Gefühle zu handeln, um die Nähe und das Wohlwollen des Partners zu bekommen, verraten wir uns selbst. Wir schwächen unser Selbstbewusstsein und unser Selbstbild. Leider verlieren wir dabei nicht nur selbst den Respekt vor uns, sondern auch der Partner und gegebenenfalls die Kinder.


Beispiele für Hyperempathie in der Beziehung

Mia ist immer für Tom da, hört ihm zu und unterstützt ihn, wann immer er es braucht. Sie stellt ihre eigenen Bedürfnisse ständig hinten an, um ihm zu helfen. Tom fühlt sich geliebt und unterstützt, geht aber immer mehr auf Abstand zu Mia, weil sie ihn mit ihrer Zuwendung erdrückt. Mia merkt langsam, dass sie sich selbst vernachlässigt und ihre eigenen Wünsche und Träume aufgibt. Sie fühlt sich erschöpft und leer.

Jonas hat oft schlechte Laune und lässt seine Frustrationen an Laura aus. Laura versucht ständig, seine Stimmung zu verbessern und passt sich seinen Launen an, um Konflikte zu vermeiden. Dabei verliert sie ihre eigene Fröhlichkeit und beginnt, seine negativen Gefühle zu übernehmen. Ihre eigene Identität verblasst immer mehr.


Warum wir uns in Hyperempathie verlieren

Menschen mit Hyperempathie neigen dazu, ihren eigenen Wert durch die Zufriedenheit und das Wohlbefinden anderer zu definieren. Sie glauben, dass sie nur liebenswert sind, wenn sie anderen helfen und deren Bedürfnisse erfüllen.

Hyperempathen haben oft Angst, abgelehnt oder verlassen zu werden, wenn sie ihre eigenen Bedürfnisse äußern oder Grenzen setzen. Sie glauben, dass sie nur durch Selbstaufopferung geliebt werden können, weil sie davon überzeugt sind, dass sie Zwischenmenschliche Beziehungen nicht aktiv mitgestalten können.

Oft haben Menschen mit Hyperempathie diese Verhaltensmuster in ihrer Kindheit erlernt. Wenn sie in einem Umfeld aufgewachsen sind, in dem ihre eigenen Bedürfnisse nicht wahrgenommen oder respektiert wurden, haben sie gelernt, sich auf die Bedürfnisse anderer zu konzentrieren.

Sehr empathische Menschen tragen häufig den Gedanken der Perfektion in sich, da sie sich dadurch weniger angreifbar fühlen. Weil sie diesen Zustand nie erreichen können, fühlen sie sich immer minderwertiger, und verlieren sich im Aktionismus.

Hyperempathische Menschen haben nie gelernt für sich selbst zu sorgen oder für sich einzustehen. Schon der Gedanke daran kommt ihnen wie purer Egoismus vor, welchen sie derart ablehnen, dass ihnen schon der Gedanke daran furchtbare Angst macht.

Ein übermäßiger Kontrollgedanke ist oft die Nebenerscheinung von zu hoher Empathie. Die Angst vor dem Verlust des Partners und die Überwachung der aktuellen Befindlichkeit erfordern ständige Anwesenheit.


Auswege aus der Hyperempathie

Nimm dir regelmäßig Zeit, um in dich zu gehen und deine eigenen Bedürfnisse und Gefühle zu erkennen. Übe Achtsamkeit, um im Moment präsent zu sein und deine eigenen Grenzen wahrzunehmen.

Lerne Nein zu sagen und deine eigenen Bedürfnisse zu kommunizieren, ohne Schuldgefühle zu haben. Es ist unglaublich wichtig, dass du dich selbst respektierst und deine eigenen Grenzen wahrst.

Achte darauf, dir selbst regelmäßig etwas Gutes zu tun. Nimm dir Zeit für Hobbys, Entspannung und Aktivitäten, die dir Freude bereiten. Selbstfürsorge ist kein Luxus oder Egoismus, sondern eine Notwendigkeit.

Sprich ehrlich mit deinem Partner über deine Gefühle und Bedürfnisse. Erkläre, wie du dich fühlst, wenn du dich selbst vernachlässigst, und arbeitet gemeinsam daran, ein Gleichgewicht in eurer Beziehung zu finden.

Häufig wird dich dein Partner sehr gerne auf dem Weg zu dir selbst unterstützen, weil er dadurch neuen Respekt vor dir gewinnt, wenn du dich endlich als eigenständiger Mensch mit eigenen Bedürfnissen und Wünschen zeigst. Zudem wird dir jeder Moment, in dem du zu dir selbst stehst neuen Selbstwert vermitteln, was zu einer völlig neuen Qualität der Begegnung führt.

Wenn du Schwierigkeiten hast aus der Hyperempathie herauszufinden, ist es hilfreich, professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Ein Therapeut oder Coach hilft dir dabei, gesunde Verhaltensmuster zu entwickeln und dein Selbstwertgefühl zu stärken.


Fazit

Hyperempathie kann eine Beziehung auf subtile, aber tiefgreifende Weise belasten. Es ist wichtig, dass du lernst, deine eigene Identität und deine Bedürfnisse zu bewahren, während du weiterhin einfühlsam und unterstützend bist. Indem du gesunde Grenzen setzt, achtsam bist und Selbstfürsorge praktizierst, kannst du eine erfüllende und ausgeglichene Beziehung führen, in der du dich nicht selbst verlierst. Erinnere dich daran, dass du wertvoll bist, genau so wie du bist, und dass du es verdienst, ebenso viel Liebe und Fürsorge zu erhalten, wie du gibst.

Mach dir dein Leben schön

Dein Uwe

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Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Conny

    immer wieder ein Genuß und eine Inspiration, diese Blogs mit diesen klaren Zusammenhängen. Viele Menschen mit Kopfschmerzen machen sich sicher sehr häufig genau darüber zuviel Kopfzerbrechen und suchen die Fehler häufig bei sich oder geraten in übermäßigen Aktionismus, der auch wiederum zu Anspannung und somit zu Kopfschmerzen führt. Die praktischen Beispiele aus dem Alltag machen es noch plastischer, vielen Dank, lieber Uwe

  2. Valentina

    Ich wollte 5 Sterne bewerten, aber ich glaube, er hat nur 4 „genommen“. Wie kann man das ändern?

  3. Valentina

    Lieber Uwe, ich liebe Deine Newsletter! Immer sprichst Du in einfachen und klaren Worten von Themen, bei denen es sich sehr lohnt, genau hinzuschauen. Herzlichen Dank für Deine Inspirationen! Viele beste Grüße, Valentina

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