"Ich mache es dir recht" – und die fatalen Folgen
Meine Bedürfnisse sind wichtig und richtig (für mich einstehen)
Ich wusste nicht mehr, wer ich war.
Nicht, was ich wollte.
Nur, was du brauchst.
Ich konnte deine Stimmung an deinem Gesicht ablesen, bevor du selbst es wusstest. Ich hatte gelernt, mich unsichtbar zu machen, damit du bleibst.
Das Schlimme daran?
Ich hielt das für Liebe.
Wenn Anpassung zur Überlebensstrategie wird
Menschen mit Verlustangst sind oft wahre Meister darin, sich anzupassen.
Nicht, weil sie so harmoniebedürftig sind – sondern, weil sie glauben:
„Wenn ich dich nicht enttäusche, bleibst du.“
„Wenn ich leise bin, wirst du mich lieben.“
Diese Strategie stammt nicht aus dem Erwachsenen-Ich – sondern aus dem inneren Kind, das gelernt hat, dass Zugehörigkeit wichtiger ist als Echtheit.
Und so sagen wir Ja, wenn wir Nein fühlen.
So lächeln wir, wenn uns zum Weinen ist.
So erklären wir, dass „alles gut ist“ – während wir innerlich implodieren.
Beispiel aus dem Beziehungsalltag
Nina lebt mit Paul zusammen. Er mag es ruhig, sie hat ein großes Bedürfnis nach Nähe und Austausch.
Wenn sie etwas anspricht, zieht er sich zurück.
Also spricht sie nichts mehr an.
Stattdessen räumt sie still seine Sachen hinterher, sagt „ist nicht so schlimm“, wenn er sie vergisst – und weint heimlich im Bad.
Nina hat sich selbst verlassen, ohne es zu merken.
Nicht, weil sie schwach ist – sondern, weil sie glaubt, nur so geliebt werden zu können.
Was dahintersteckt: Verlustangst und Bindungsangst im unsichtbaren Tanz
Verlustängstliche Menschen suchen Nähe, koste es, was es wolle.
Bindungsängstliche Menschen ziehen sich zurück, sobald es eng wird.
Was beide verbindet:
Die Angst, sich ganz zu zeigen.
Verlustängstliche fürchten Ablehnung.
Bindungsängstliche fürchten Vereinnahmung.
Und beide glauben: „Wenn ich mich zeige, wie ich bin, verliere ich dich.“
Doch der Preis dafür ist hoch: sich selbst zu verlieren.
Exkurs: Wie ich meine Bedürfnisse wieder wahrnehme
Die Rückkehr zu dir selbst beginnt mit kleinen, ehrlichen Fragen:
- Was fühle ich gerade – wirklich?
- Was brauche ich – und was erwarte ich gerade vom anderen?
- Was sage ich, um Frieden zu wahren – und was verschweige ich dabei von mir?
Bedürfnisse zu spüren, ist ein Muskel, der vielleicht verkümmert ist – aber nie für immer verloren.
Nimm dir stille Momente.
Hör auf deinen Körper: Wo ist Spannung? Was zieht sich zusammen?
Und sprich mit jemandem, dem du vertraust – laut aus, was du bisher nur gedacht hast.
So beginnst du, dich selbst wieder zu hören. Und „für mich einstehen“ ist der nächste logische Schritt.
Checkliste: Unbewusste Strategien, mit denen du dich selbst verrätst
☐ Du sagst „Ja“, obwohl du „Nein“ fühlst
☐ Du erklärst dich ständig, um Konflikte zu vermeiden
☐ Du entschuldigst dich für deine Gefühle oder Bedürfnisse
☐ Du bist bemüht, immer verständnisvoll zu sein – auch wenn du verletzt bist
☐ Du fühlst dich oft leer, wenn der andere distanziert ist
☐ Du hast Angst, egoistisch oder zu fordernd zu wirken
☐ Du glaubst, Liebe müsse man sich verdienen
☐ Du fühlst dich nur frei und leicht, wenn niemand im Haus ist
☐ Du sprichst erst, nachdem deine Worte durch einen Gefälligkeitsfilter gelaufen sind
☐ Du hältst Anteile von dir zurück, die du nicht liebenswert findest
Wenn du dich hier wiedererkennst, bist du nicht falsch – du bist geprägt. Und du darfst das ändern. Für mich einstehen bedeutet auch, sich selbst kennen. Nicht nur die Bedürfnisse und Werte, sondern auch die gewohnten und automatischen Muster.
Ausweg: „Für mich einstehen“, wie kann das gelingen?
Erkunde: Was willst du wirklich?
Nicht, was willst du nicht – sondern was genau wünschst du dir.
Erkenne: Du darfst Bedürfnisse haben.
Nicht als Luxus – sondern als Ausdruck deiner Lebendigkeit.
Übe, dich zuzumuten.
Das heißt nicht, laut zu werden – sondern ehrlich. Klar. Lebendig.
Akzeptiere, dass nicht jeder damit umgehen kann.
Aber die, die es können – die lieben dich in deiner Wahrheit. Nicht in deiner Rolle.
Verlasse dich nicht mehr selbst, um andere zu halten.
Denn jede Beziehung, in der du dich selbst opferst, macht dich kleiner, uninteressanter, unsichtbar. Nicht nur du verlierst den Respekt vor dir, sondern auch dein Partner.
Fazit: Für mich einstehen heißt – ich bin es mir wert
Du musst niemanden verlieren, um dich selbst zu gewinnen.
Aber du darfst lernen, dich selbst nicht mehr zu verlieren, um die Bindung zu halten.
Denn echte Nähe entsteht nicht durch Anpassung, sondern durch Mut zur Wahrheit.
Und das beginnt mit dem Satz:
„Ich bin wichtig. Und meine Bedürfnisse auch.“
Dein Uwe
P.S. Zu vielen Themen gebe ich ganz private Einblicke in mein Leben und mein Learning. Falls dich das interessiert, lies unter dem roten Button weiter…
Wie das Thema der Woche mich betrifft
„Für mich einstehen“ ist der Nordstern in all meinen Coachings. Doch der Weg dorthin war weit. Mein Glaubenssatz: „Ich darf mich nicht zumuten“ steht dem ja direkt entgegen. Tatsächlich wusste ich häufig ziemlich genau, was ich wollte, doch ich lernte erst spät, dies auch auszusprechen. Die Bedürfnisse anderer und die Harmonie erschienen mir meist wichtiger als meine eigenen Wünsche oder Bedürfnisse. Nur wenn ich alleine war, also wenn kein Erwartungsträger im Raum war, konnte ich „für mich einstehen“ – waren meine Gefühle, Wünsche und Bedürfnisse wichtig genug. Demnach brauchte ich viel Zeit für mich – und ich war sehr einfallsreich, um mir diese Zeit zu nehmen. Je nach dem, mit wem ich gerade zusammen war, bedeutete „für mich einstehen“ Streit, ewige Diskussionen, schlechte Stimmung oder Ablehnung. Zumindest aber dieses schale Schamgefühl – „das steht mir nicht zu“, oder „das ist nicht so wichtig“. Was bedeutet „für mich einstehen“, bzw. „zu mir stehen“ wirklich?Für mich einstehen bedeutet für mich:
Das soll keine Beschreibung oder Anleitung zum Egoismus sein – es ist der Ausdruck meines „Ich seins“ – auch in einer Beziehung. Nicht um jeden Preis, doch genug, um mich aus der selbst erwählten Unterordnung zu befreien, und meinen Partner von seinem imaginären Podest zu holen. Es geht darum, in der Beziehung mit meinen Bedürfnissen und meiner Meinung erst einmal „vorzukommen“, und mich dann Stück für Stück auf Augenhöhe zu begeben. Der Weg zur AugenhöheWie schon häufig erwähnt ist der erste Schritt, wahrzunehmen, was ich gerade brauche oder will. Und das ist nicht das gleiche wie zu spüren, dass ich das, was gerade ist, nicht will. Mit meiner aktuellen Partnerin ist mir das gelungen. Nicht sofort, doch allmählich und immer mehr. Ich habe erlebt, dass ich für meine Meinung, meine Bedürfnisse und Sorgen nicht abgelehnt werde. Dass ich ernst genommen werde und wir miteinander Lösungen finden, um für beide ein gutes Umfeld zu schaffen. Dass ich die Beziehung nicht aushalten muss, sondern nach meinen Vorstellungen mitgestalten kann. Das vieles, was ich verbarg, weil ich sicher war, dass ich dafür abgelehnt werde, sehr positiv aufgenommen wurde. Es war ein Anfang, der mich süchtig machte, mich immer weiter zu öffnen. Aber es wächst auch das Gefühl der Sicherheit. Denn wenn ich lerne, dass das, was ich bisher preisgab, die Beziehung nicht beschädigt, sondern vertieft – fühlt sich das, was ich noch für mich behalten will, nicht mehr wie ein Gefängnis an. Wo glaubst du, dass dein Bedürfnis oder deine Meinung keinen Platz hat?Bei welchen Themen verwechselst du „sich zeigen“ mit Konfrontation?Weißt du, was du willst, oder nur was du ablehnst?Könnte das einen Unterschied machen? |
Mach dir deine Beziehung schön,
Dein Uwe
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Themenstruktur "Selbstbewusstsein stärken"
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immer wieder genial, wie du die Dinge aussprichst, auf den Punkt bringst und für jeden greifbar machst, es ist soooo wichtig, bei sich selbst zu bleiben, um den anderen NICHT zu verlieren, nur rechnen viele anders.
Danke für deine Worte, liebe Conny. Und du hast wunderbar beschrieben, dass unser Partner bleibt, WEIL wir uns zeigen – und viel eher geht, wenn wir unser Selbst für ihn verraten.