Perfektion: Wie wir uns täglich selbst beweisen, nicht genug zu sein.

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Perfektion, wie du dir selbst beweist, nicht gut genug zu sein

Wie das Streben nach Fehlerlosigkeit uns von der Liebe trennt

Kennst du das Gefühl, immer auf der Hut sein zu müssen? Jedes Wort, jede Handlung wird in deinem Kopf zigfach durchdacht, bevor es jemals das Licht der Welt erblickt. Doch egal, wie viel Mühe du dir gibst – du findest immer etwas, das besser hätte sein können.

Für viele Menschen mit Bindungsangst ist diese innere Haltung von Perfektion Alltag. Was von außen oft als übertriebene Kontrollsucht erscheint, ist in Wahrheit ein Versuch, der tiefliegenden Angst zu entkommen: „Ich bin nicht genug. Und wenn das jemand merkt, werde ich verlassen.“

Verantwortung und die Angst vor Schuld

Der Kontrollzwang ist eng mit einem übersteigerten Verantwortungsbewusstsein verknüpft. Menschen mit Bindungsangst übernehmen oft die volle Verantwortung für das Gelingen einer Beziehung. Tief in ihnen schlummert der Glaubenssatz: „Wenn die Beziehung scheitert, ist es meine Schuld.“

Dieser Gedanke ist so schmerzhaft, dass sie unermüdlich versuchen, alles zu kontrollieren – die Stimmung des Partners, die Dynamik der Beziehung, ja sogar ihr eigenes Verhalten. Aber diese permanente Anstrengung hinterlässt Spuren: Erschöpfung, Überforderung und oft genug das Gefühl, in der Beziehung nicht mehr authentisch sein zu können.

Beispiele aus dem Beziehungsalltag

Die ständige Angst vor Fehlern

Nina ist in einer Beziehung mit einem liebevollen, aber eher introvertierten Mann. Oft fühlt sie sich für seine schlechte Laune verantwortlich. Wenn er schweigt, beginnt in ihrem Kopf ein Karussell aus Gedanken: „Habe ich etwas falsch gemacht? War ich zu fordernd? Sollte ich mich entschuldigen?“ Sie versucht, alles recht zu machen, damit er sie bloß nicht ablehnt.

Was Nina nicht erkennt: Sie hält sich selbst in einer Spirale aus Schuld und Anpassung gefangen, ohne zu hinterfragen, was ihr Mann wirklich denkt, oder ob es wirklich immer ihre Verantwortung ist.

Perfektionismus als Schutzschild

Tom ist leidenschaftlich und fürsorglich, aber auch enorm streng mit sich selbst. Er will in der Beziehung alles richtig machen: perfekte Dates organisieren, immer einfühlsam sein, niemals einen Streit provozieren. Doch seine Freundin sagt oft, er sei „nicht authentisch“ – ihr fehle die Wärme und das Gefühl mit einem echten Menschen zusammen zu sein. Tom versteht das nicht. Für ihn bedeutet Nähe, sich in Bestform zu präsentieren. Dass sein Perfektionismus eine Mauer ist, durch die echte Intimität nicht hindurchkommt, ist ihm nicht bewusst.

Warum machen wir das? – Die Muster dahinter

Das Streben nach Perfektion und Kontrolle entspringt häufig aus frühen Erfahrungen. Viele Menschen mit Bindungsangst haben als Kinder gelernt, dass ihre Bedürfnisse nicht bedingungslos erfüllt wurden. Vielleicht waren die Eltern unzuverlässig oder emotional unerreichbar, sodass die Kinder begannen, sich perfekt anzupassen, durch Leistung sichtbar zu werden, oder immer lieb und pflegeleicht zu sein.

Der Gedanke war: „Wenn ich alles richtig mache, bekomme ich die Liebe, die ich mir wünsche, oder werde zumindest nicht abgelehnt.“ Dieses Muster wird oft in Beziehungen fortgesetzt, wo Perfektion und Kontrolle als Schutzmechanismen dienen.

Das zeigt sich in Verhaltensweisen wie:

  • Perfektionismus in Haushalt und der äußeren Erscheinung.
  • Vollständiger Verantwortungsübernahme für das Gelingen der Beziehung.
  • Es allen recht machen.
  • Jeden Konflikt vermeiden.
  • Anderen nicht zur Last fallen, oder
  • Die Erwartungen aller anderen über die eignen Bedürfnisse stellen.

Doch die Ironie ist: Je mehr wir uns bemühen, alles unter Kontrolle zu halten, desto weniger zeigen wir unser wahres Selbst. Und genau das hindert echte Verbindung.

Zusätzlich beweisen wir uns mit dem Scheitern dieser unerreichbaren Vorgaben täglich unsere Unzulänglichkeit: „Ich habe es gewusst, ich bin nicht gut genug. Ich bin schuld an der schlechten Beziehung, ich bin ein Versager“ Die Kontrolle liegt darin, das eigene Selbstbild zu bestätigen.

Auswege: Loslassen und sich selbst genügen

Erkenne deine Glaubenssätze

Frage dich: „Welche Überzeugungen treiben mein Verhalten an?“ Glaubenssätze wie „Ich bin verantwortlich für das Glück des anderen“ oder „Ich werde verlassen, wenn ich Fehler mache“ können bewusst gemacht und überprüft werden.

Akzeptiere deine Unvollkommenheit

Übe, mit kleinen Fehlern zu leben. Lass dich nicht darauf ein, jede mögliche negative Reaktion zu verhindern. Beginne mit Kleinigkeiten, z. B.: Entschuldige dich nicht für eine Sache, die keine Schuld erfordert.

Überprüfe angenommene Erwartungen

Viele deiner Annahmen über die Erwartungen anderer sind falsch. Überprüfe deine Interpretationen in einem klärenden Gespräch mit den Betroffenen.

Setze klare Grenzen

In Beziehungen hilft es, die eigene Verantwortung von der des Partners zu trennen. Sei ehrlich über deine Gefühle und Bedürfnisse, ohne das Ergebnis kontrollieren zu wollen.

Sprich über deine Ängste

Teile deinem Partner mit, wenn du merkst, dass deine Angst die Oberhand gewinnt. Offenheit schafft Verbindung und reduziert die Notwendigkeit, alles zu kontrollieren. Dies ermöglicht auch deinem Partner die Möglichkeit, sich mit seinen Ängsten zu zeigen. Auch wenn es Angst macht, so entsteht echte Beziehung.

Sei dir selbst wichtig

Verbinde dich mit deinen innersten eigenen Bedürfnissen, und sorge gut für dich. Das ist kein Egoismus, sondern Selbstfürsorge. Wenn du dich selbst nicht ernst nimmst, wie könnte es dein Partner tun?

Hol dir Unterstützung

Ein Coaching oder Therapie hilft dir, die Muster der Vergangenheit zu durchbrechen und den inneren Glauben „Ich bin genug“ zu verankern. Du erkennst deine unbewussten Strategien, und lernst neue Perspektiven und Handlungsoptionen zu integrieren.

Die Freiheit, die entsteht

Loslassen bedeutet nicht, die Kontrolle vollständig aufzugeben. Es bedeutet, in den Bereichen loszulassen, die du ohnehin nie kontrollieren konntest: die Gedanken, Gefühle und Handlungen deines Partners. Wenn du dich von der Last des Perfektionismus befreist, entsteht Raum für echte Verbindung. Wenn du die alleinige Verantwortung für die Beziehung loslässt, kannst du auch nicht alleine schuld sein.

Die Überzeugung „Ich muss perfekt sein, um geliebt zu werden“ wird durch „Ich bin liebenswert, so wie ich bin“ ersetzt. Und mit diesem Wandel wird das Leben, die Beziehung – und die Liebe – um ein Vielfaches leichter.

Ergreife jetzt die Chance für Veränderung

Die Wahrheit ist: Du kannst aufhören, dich täglich davon zu überzeugen, nicht genug zu sein. Das ist weder dir, noch deiner Beziehung nützlich. Die Wahl liegt bei dir, jetzt den ersten Schritt zu tun – hin zu einem Leben, in dem Liebe und Beziehungen nicht länger von Kontrolle, sondern von Vertrauen und Respekt geprägt sind. Zunächst vor dir selbst, und dann vor deinem Partner. Bist du bereit, dir selbst zu begegnen?

Mach dir dein Leben schön

Dein Uwe

 

P.S. Zu vielen Themen gebe ich ganz private Einblicke in mein Leben und mein Learning. Falls dich das interessiert klicke unten auf den roten Button „+ Wie das Thema der Woche  mich betrifft“

„Wem du die Schuld gibst, dem gibst du die Macht“. Dieser Satz hat mich vor vielen Jahren aus der Opferhaltung in die Selbstwirksamkeit gebracht. Selbstverantwortung ist das Zauberwort.

„Will ich diesem Menschen die Macht über mein Glück und meinen Seelenfrieden geben?“

Erst viel später habe ich begriffen, dass dies nach hinten losgeht, wenn ich mir die Schuld für das Verhalten anderer gebe.

Vermutlich bist du nun restlos verwirrt, also ganz langsam Schritt für Schritt.

Der Weg vom Opfer zum Schöpfer:

Wenn ich die Verantwortung für meine Taten, Gedanken und Gefühle übernehme, gewinne ich maximale Macht über mein Leben, über mein Umfeld und meinen begleitenden Umständen. Ich allein gestalte mein Leben, und bin selber schuld, wenn das nicht gut ist.

Ich habe mir meinen Partner ausgesucht, oder mich aussuchen lassen. Ich habe den Arbeitsvertrag unterschrieben oder diese Firma gegründet. Wie andere Menschen mit mir umgehen, oder welche Menschen in meinem Umfeld sind, habe ich geduldet oder aktiv dazu beigetragen. Den Mietvertrag und das ungenutzte Fitness-Abo habe ich unterschrieben. Dass ich mehr Geld ausgebe als ich habe, und meine Zeit sinnlos vergeude ist meine Wahl. Selbst mein körperlicher Zustand ist ein Produkt meiner Bequemlichkeit. Unfälle, Krisen oder Schicksalsschläge liegen zwar meist nicht in meiner Verantwortung, doch es ist durchaus meine Wahl, wie ich das bewerte, und wie ich damit umgehe.

Wenn ich mir ein mieses Leben erschaffen konnte, liegt es an mir, ein gutes Leben zu erschaffen. Dies ist in meiner Macht, und in meiner Verantwortung.

Der Weg von Schöpfer zum Opfer:

Wenn ich die Verantwortung dafür übernehme, was andere Menschen tun, denken oder von mir halten sieht es ganz anders aus. Denn andere Menschen sind anders geprägt, sind anders aufgewachsen, haben andere Glaubessätze und Werte, ein völlig anderes Selbstbild und damit eine vollkommen andere Realität als ich. Was sie gut oder schlecht finden ist ihre Sache, und hat rein gar nichts mit mir zu tun.

Alles was ich also unternehme, um vom anderen anerkannt, geliebt oder nicht verlassen zu werden, wird nur funktionieren, wenn mein Partner meine Realität teilt. Da dies fast nie so ist, laufen meine Bemühungen ins Leere. Ich verbiege und verrate mich und meine Werte, und nehme wahr, dass es nie genug ist.

Mein Anspruch an Perfektion kann nicht gelingen, weil es auf Erden keine Perfektion gibt. Selbst wenn es Perfektion gäbe, wäre sie höchst subjektiv, denn was ich perfekt finde, bewerten andere ganz anders. Mit meinem Streben nach Perfektion – um nicht angreifbar zu sein oder nicht verlassen zu werden – beweise ich mir täglich meine eigene Unzulänglichkeit.

Wenn ich die Verantwortung für die Beziehung übernehme, oder dafür, meinen Partner glücklich zu machen, kann ich nur scheitern, falls mein Partner nicht selbst dazu in der Lage ist. Je mehr ich mich anstrenge, desto mehr entferne mich von mir selbst, und damit auch von ihm. Mit seinem Unglück wächst meine empfundene Schuld, und damit mein Gefühl „nicht gut genug“ zu sein.

Jedes Mal wenn ich es anderen recht machen will, wenn ich Konflikte vermeide, oder anderen nicht zur Last fallen will, beweise ich mir selbst, dass ich weniger wert  bin als mein Gegenüber.

Immer wenn ich mich nicht zeige und meine Maske trage, um anderen Menschen zu gefallen, ziehe ich Menschen an, die nicht zu mir passen.
Sie werden mir täglich den Spiegel vorhalten, dass ich so wie ich bin, nicht in Ordnung bin.

Meine Erkenntnis:

Solange ich mich nicht selber mag und respektiere, wird es auch kein anderer tun, ganz egal was ich tue oder vermeide. Erst wenn ich mich mit all meinen Stärken und Schwächen liebe, wenn ich glaube dass ich so wie ich bin Ok bin, kann ich glauben, dass auch andere mich lieben können.

Je mehr ich mir selbst gut genug bin, desto weniger bin ich von äußerer Bestätigung abhängig. Als ich aufhörte, meinen Wert an der Reaktion anderer zu messen, blühte die wichtigste Beziehung in meinem Leben auf. Die Beziehung zu mir selbst.

Auf welche Weise beweist du dir, dass du nicht OK bist?

Wem gibst du die Macht über dein Glück?

Wem gibst du die Macht über deinen Selbstwert?

Wie könntest du dir heute beweisen, dass du OK bist?

 

Mach dir deine Beziehung schön, 

Dein Uwe

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