Unbewusste Schuldübernahme: Wie du fremde Lasten ablegst.

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unbewusste Schuldübernahme

Wessen Schuh ziehst du dir an?

Die unbewusste Übernahme von Schuld in der Partnerschaft. Vielleicht kennst du das– ein schiefes Wort, eine unbedachte Geste deines Partners – und schon zieht sich dein Inneres zusammen. Du fragst dich, was du falsch gemacht hast, ob du etwas hättest anders sagen oder tun sollen. Noch bevor du es richtig bemerkst, lastet die Schuld auf deinen Schultern, obwohl du nicht genau sagen kannst, wofür du dich eigentlich verantwortlich fühlen solltest. Du passt dich an, weichst aus, und versuchst, es allen recht zu machen. Doch tief in dir drin bleibt das nagende Gefühl, dass etwas nicht stimmt.

Unbewusste Schuld gibt es auch auf einer viel tieferen Basis. Es gibt eine Schuld, die wir nicht greifen können, bei der es kein Gegenüber zu geben scheint und welche uns ohne erkennbaren Grund limitiert. Diese Schuldübernahme ergab sich zum Beispiel aus einer Situation, in der wir das Leid eines Mitmenschen nicht lindern konnten, oder wo wir einem Menschen nicht helfen konnten, als er sich in einer bedrohlichen Lage befand.

Vielleicht hatten wir nicht das Wissen und Können um zu helfen, oder wir waren zu klein, oder zu weit weg.  Dennoch haben wir diese Schuld auf uns genommen, ohne dass das vermeintliche Opfer etwas davon weiß oder gar erwartet hätte. Meist erinnern wir uns nicht mehr an diesen Vorfall, doch unser Unterbewusstsein leistet Sühne durch materielles, körperliches oder seelisches Leid.

Über diese ungelöste Schuld schreibe ich nächste Woche. Heute geht es um die vermeintliche Schuldübernahme wenn wir glauben, eine Erwartung eines direkt Beteiligten nicht erfüllt zu haben.

Unbewusste Schuldübernahme – ein unsichtbares Muster

Dieses ständige Gefühl, etwas falsch zu machen, kommt nicht von ungefähr. Oft trägt es seine Wurzeln in die Kindheit, in Zeiten, in denen wir gelernt haben, dass unser Wohl und das Wohl anderer eng miteinander verknüpft sind. Vielleicht hattest du das Gefühl, für die Stimmungen deiner Eltern verantwortlich zu sein, oder du hast früh gelernt, dass Harmonie nur dann möglich ist, wenn du dich selbst zurücknimmst. Diese Muster verfestigen sich tief in unserem Unterbewusstsein und beeinflussen, wie wir heute in unseren Beziehungen agieren.

Beispiele aus dem Beziehungsalltag

Die stille Anpassung

Marie und Tom sind seit einigen Jahren ein Paar. Tom liebt es, seinen Freiraum zu haben und alleine seinen Hobbys nachzugehen. Marie hingegen sehnt sich nach mehr gemeinsamer Zeit. Doch anstatt ihre Bedürfnisse zu äußern, zieht sich Marie zurück. Sie sagt sich immer wieder: „Ich will ihm keinen Stress machen. Vielleicht nerve ich ja.“ Marie übernimmt die unbewusste Schuld, für Toms Freiheit verantwortlich zu sein, und glaubt, sich anpassen zu müssen, um die Beziehung zu erhalten. Dabei sieht sie nicht, wie Ihr Schweigen eine Distanz schafft, die die Beziehung langsam aushöhlt.

Die ungesagte Schuld

Lukas fühlt sich oft verantwortlich für die Launen seiner Partnerin Julia. Wenn Julia schlecht gelaunt ist, durchforstet Lukas seine Gedanken: „Was habe ich falsch gemacht?“ Anstatt Julia direkt zu fragen, nimmt er die Schuld auf sich und versucht, die Situation zu retten, indem er sich übermäßig anpasst, sich besonders nett verhält oder ihre Wünsche errät. Doch diese unbewusste Schuldübernahme sorgt dafür, dass Lukas immer weniger authentisch ist – er verliert sich selbst in dem Versuch, eine vermeintliche Schuld zu begleichen, die ihm gar nicht gehört. Er verliert den Respekt vor sich selbst, und damit seinen Selbstwert.

Dahinterliegende Muster

Die unbewusste Übernahme von Schuld ist oft ein erlerntes Verhalten, welches in der Kindheit beginnt. Wenn du das Gefühl hattest, dass deine eigenen Bedürfnisse weniger wert waren als die Harmonie in deiner Familie, hast du vielleicht gelernt, dich selbst zurückzunehmen, um Konflikte zu vermeiden. Diese Muster setzen sich in Beziehungen mit Bindungsangst fort, wo die Angst, den Partner zu verlieren oder nicht gut genug zu sein, zu einer ständigen Anpassung führt.

Die Angst vor Ablehnung

Die Angst, verlassen oder nicht geliebt zu werden, ist ein starker Treiber für die Übernahme von Schuld. Indem du dich anpasst und glaubst, die Schuld für das Ungleichgewicht in der Beziehung tragen zu müssen, versuchst du unbewusst, die Kontrolle zu behalten. Du denkst, wenn du dich nur genug anstrengst, könntest du die Beziehung retten. Doch diese Strategie führt oft dazu, dass du dich selbst aufgibst.

Emotionale Erpressung

Vielleicht haben dich deine Eltern durch „zur Schau gestellte Enttäuschung“ in die Schuldfalle gelockt. Diese perfide Erziehungsmethode wird häufig durch Prägung und Nachahmung vererbt. Sie lässt dich ohnmächtig mit deinen Schulgefühlen, und mit Liebesentzug zurück. Die Folge ist oft vorauseilender Gehorsam, Überanpassung und Perfektionsstreben.

Der innere Kritiker

Ein weiterer Aspekt ist der innere Kritiker, also die innere Stimme, die dir ständig sagt, dass du nicht gut genug bist, dass du etwas falsch gemacht hast oder dass du nicht so sein darfst, wie du bist. Dieser Kritiker hat oft seine Wurzeln in früheren Erfahrungen von Kritik, Ablehnung oder Liebesentzug. In Beziehungen führt dieser innere Kritiker dazu, dass du ständig auf der Suche nach deiner „Schuld“ bist und dich unbewusst limitierst.

Auswege: Von der Schuldübernahme zur Selbstverantwortung

Um aus dem Kreislauf der unbewussten Schuldübernahme auszubrechen, braucht es Achtsamkeit, Bewusstsein und Mut zur Veränderung. Es geht darum, dich selbst in deinen Bedürfnissen und Gefühlen ernst zu nehmen, und Verantwortung für Seelenwohl zu übernehmen. Es gilt, die Angst vor Ablehnung und der Reaktion deines Partners  zu überwinden, und die Verantwortung für das Wohl deines Partners loszulassen, bzw. zurückzugeben.

Selbstreflexion und Grenzsetzung

Überlege dir, wann und warum du dich schuldig fühlst. Frage dich, ob diese Schuld wirklich zu dir gehört oder ob du sie unbewusst übernommen hast. Setze klare Grenzen für dich selbst und erkenne an, dass du nicht für das Glück und die Zufriedenheit deines Partners verantwortlich bist.

Beispiel: Marie könnte anfangen, ihre eigenen Bedürfnisse in der Beziehung ernst zu nehmen und sie klar zu kommunizieren, anstatt sich still zurückzuziehen. Sie könnte Tom sagen: „Ich wünsche mir klare Regeln für gemeinsame Zeit mit dir, weil mir das wichtig ist.“

Kommunikation auf Augenhöhe

Sprich offen über deine Gefühle und Ängste, ohne dabei in die Rolle des „Schuldigen“ zu verfallen, aber auch ohne Schuldzuweisungen. Erkläre deinem Partner, wie du dich fühlst, und lade ihn ein, seine Perspektive ebenfalls zu teilen.

Beispiel: Lukas könnte Julia sagen: „Ich merke, dass ich mich oft verantwortlich fühle, wenn du schlecht gelaunt bist. Aber ich möchte verstehen, was wirklich in dir vorgeht, ohne sofort zu denken, dass es meine Schuld ist.“

Die Macht der Selbstakzeptanz

Lerne, dich selbst anzunehmen – mit all deinen Stärken und Schwächen. Je mehr du dir selbst erlaubst, so zu sein, wie du bist, desto weniger wirst du das Bedürfnis verspüren, dich anzupassen und Schuld auf dich zu laden.

Beispiel: Marie und Lukas könnten beide daran arbeiten, ihre eigenen Bedürfnisse wertzuschätzen, ohne sie ständig infrage zu stellen. Sie könnten sich bewusst machen, dass es okay ist, sie selbst zu sein, auch wenn das bedeutet, dass sie manchmal gegen die Erwartungen ihres Partners handeln.

Fazit:

Unbewusste Schuldübernahme ist ein stiller Beziehungskiller, der oft unbemerkt, oder unausgesprochen bleibt. Doch indem du lernst, dich selbst zu reflektieren, deine Bedürfnisse zu äußern und dich von der Last fremder Schuld zu befreien, kannst du einen Weg zu einer authentischen, gesunden Partnerschaft finden. Denn wahre Nähe entsteht nicht durch Anpassung, sondern durch die ehrliche Begegnung zweier Menschen, die einander so akzeptieren, wie sie sind – ohne die Bürde der Schuld, die ihnen nicht gehört. 

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