Selbstwert in Beziehungen. Warum du dich im Beruf stark fühlst, und in Beziehungen unsicher!

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Selbstwert in der Beziehung

Der empfundene Selbstwert hängt stark vom Lebensbereich ab.

Warum ist es so, dass du dich in einer Minute selbstbewusst und stark fühlst und im nächsten Moment, wenn es um die Beziehung geht, von Selbstzweifeln überrollt wirst? Gerade wenn Bindungsangst ins Spiel kommt, wird der Selbstwert oft unbewusst zum Spielball, weil der innere Frieden plötzlich von den kleinsten Signalen deines Partners abhängt. Kann der Selbstwert in Beziehungen anders sein als im Business?

 

Der Einfluss des Beziehungs-Kontextes auf deinen Selbstwert

Stell dir vor, du hast einen langen Tag hinter dir, du fühlst dich gut, stolz auf dich und auf das, was du erreicht hast. Dein Selbstwertgefühl ist stabil, du fühlst dich stark. Doch dann meldet sich dein schlecht gelaunter Partner und fragt, warum du dich den ganzen Tag nicht gemeldet hast. Dieser Vorwurf trifft dich, und plötzlich fühlst du dich unsicher und klein. In einer anderen Situation mit deinen Freunden oder bei der Arbeit hättest du wahrscheinlich gelassen auf Vorwürfe reagiert, aber in der Beziehung? Da ist das anders. Hier trifft es dich in den Grundfesten, du beginnst, an dir zu zweifeln und fragst dich, ob du wirklich „gut genug“ bist.

 

Beispiel: Die versteckte Macht der Bestätigung

Julia ist erfolgreich im Job, sie liebt ihre Arbeit und fühlt sich im Freundeskreis sicher und geschätzt. Doch in der Beziehung zu ihrem Partner Michael gerät ihr Selbstwert ins Wanken, sobald er sich distanziert verhält. Ihre Stimmung wird stark davon beeinflusst, wie viel Zeit und Aufmerksamkeit er ihr gibt. Meldet er sich tagelang nicht, durchlebt sie innerlich einen Sturm aus Selbstzweifeln und Fragen: „Mache ich genug? Warum scheint er mich nicht so zu brauchen, wie ich ihn?“. Julia merkt nicht, dass sie ihren Selbstwert von seiner Zuwendung abhängig macht und sich dadurch selbst in die Unsicherheit treibt.

Diese Schwankungen im Selbstwert sind typisch für Bindungsängstliche, deren tiefe Unsicherheit durch die Nähe-Distanz-Dynamik immer wieder getriggert wird.

 

Warum der Kontext eine so große Rolle spielt

Das Selbstwertgefühl hängt stark von den „Spielregeln“ ab, die wir in Beziehungen oft unbewusst anlegen. Je mehr wir uns vom Urteil und den Emotionen des Partners abhängig machen, desto angreifbarer wird unser Selbstwert. Bei Julia ist es die Bestätigung, die Michael ihr in unregelmäßigen Abständen gibt – mal durch Nähe, mal durch Distanz – die sie in ein unsicheres Gefühlschaos wirft. Auf einer anderen Ebene vertraut sie sich selbst und ihrem Wert als Mensch, aber sobald sie in die Dynamik der Beziehung eintritt, wird sie von ihrem alten Muster geleitet, dass Nähe gleichbedeutend mit Wert ist.

Bei Michael wirkt das gleiche Prinzip auf andere Weise. Sein Selbstwert wird getriggert, wenn Julia ihm zu lange zu nahekommt. Er hat Angst seine Autonomie zu verlieren und fühlt sich nur wertvoll, wenn er sich selbstbestimmt wahrnimmt. Wenn Julia echte Intimität einfordert, bröckelt sein Selbstwert, weil er glaubt, sich der Beziehung unterordnen zu müssen. Beruflich hat er sich Selbstständig gemacht, was bei Bindungsängstlichen häufig vorkommt – fühlt er sich als eigener Chef doch Selbstsicher und unabhängig.

 

Muster, die deinen Selbstwert schwächen können

Unbewusste Glaubenssätze

„Ich bin nur liebenswert, wenn ich gebraucht werde“ oder „Nähe bedeutet Sicherheit.“ Solche Glaubenssätze nisten sich tief in unser Unterbewusstsein ein und schwingen in der Beziehung immer mit. Das führt dazu, dass du dich nur dann sicher fühlst, wenn dein Partner dir ständig seine Zuneigung zeigt.

Vergleiche mit anderen

Die Angst, nicht gut genug zu sein, führt oft dazu, dass ich mich ständig mit den vergangenen Partnern oder idealisierten Bildern von „perfekten Beziehungen“ vergleiche. Das setzt den Selbstwert von beiden Partnern enorm unter Druck.

Kontrollverlust und Vermeidung

Für viele Bindungsängstliche ist der Selbstwert von der Illusion einer gewissen Kontrolle abhängig. Je unberechenbarer die Beziehung wird, desto mehr Vermeidungsstrategien wende ich an, um der vermeintlichen Bedrohung zu entkommen.

Unterordnung und Ohnmacht

Das Gefühl, die Erwartungen des Partners erfüllen zu müssen um angenommen zu sein, oder der Glaubenssatz „meine Bedürfnisse und Gefühle sind nicht wichtig“, bringen den Partner in die Position des Stärkeren, und zementieren die Überzeugung: „ich bin es nicht wert“. Der Gedanke „ich darf nicht enttäuschen“ drückt mich zusätzlich in die Lage des „ausgeliefert seins“.

Beziehung als Selbstwert-Falle

Die Überzeugung, dass mir die Beziehung passiert, ich mich also der Partnerschaft, dem Rollenklischee, und meinem Partner unterordnen muss, macht die Beziehung zu einer Gefahr, die meinen Selbstwert attackiert.

 

Beispiel: Tims Kampf um Unabhängigkeit

Tim hat sich immer als unabhängigen und starken Menschen betrachtet. Doch sobald er eine tiefe Verbindung zu jemandem aufbaut, spürt er das Bedürfnis, sich emotional zu distanzieren. Warum? In seiner Kindheit hat er die Erfahrung gemacht, dass Nähe bedeutet, die eigenen Bedürfnisse zurückzustellen. Wenn er nun merkt, dass er sich immer mehr auf seine Partnerin einlässt, wird er von einem Gefühl der Beklemmung überrannt und denkt: „Ich verliere mich selbst.“ Obwohl er sich seiner Partnerin gegenüber verantwortlich fühlt, kann er sich von der Angst nicht befreien, dass er in der Beziehung seinen Selbstwert verlieren könnte, weil er sich zu abhängig und ausgeliefert fühlt.

 

Wege aus der Selbstwert-Falle in der Beziehung

Bindungsangst und Selbstwert hängen oft eng miteinander zusammen, und das Verstehen dieser Dynamik ist der erste Schritt, um die Ketten der Abhängigkeit zu lösen.

  1. Achtsamkeit für die eigenen Reaktionen entwickeln

Lerne die Situationen zu identifizieren, in denen du deinen Selbstwert von der Reaktion deines Partners abhängig machst. Wenn du bemerkst, dass eine Situation dich verunsichert, dann frage dich: „Warum trifft mich das gerade so?“ Oft sind es nicht die Worte des Partners, sondern alte Glaubensmuster aus der Kindheit, die in dir getriggert werden.

  1. Selbstliebe und Selbstwert stärken

Eine starke Beziehung beginnt immer in dir selbst. Arbeite daran, deinen Wert unabhängig von äußeren Bestätigungen zu fühlen. Erinnere dich daran, was dich ausmacht und was du dir selbst wert bist – unabhängig davon, wie viel Nähe oder Distanz dein Partner gerade zeigt. Deine Selbstliebe ist das stabilste Fundament für eine erfüllte Beziehung.

  1. Kommunikation als Schlüssel zur Nähe

Sich in der Beziehung klar und verletzlich zu zeigen, ist ein großer Schritt. Anstatt auf Distanz zu gehen, oder Nähe einzufordern, wenn du dich unsicher fühlst, versuche offen darüber zu sprechen. Sag deinem Partner, dass du manchmal Schwierigkeiten hast, Nähe zuzulassen, weil alte Unsicherheiten hochkommen. Offene Kommunikation ist oft der stärkste Weg, um Vertrauen zu stärken und alte Muster abzubauen. Im Gespräch mit deinem Partner lernst du dich selbst am Besten kennen.

  1. Erkenne an, dass dein Selbstwert je Lebensbereich verschieden ist

Es ist in Ordnung, dass der Selbstwert in unterschiedlichen Kontexten schwankt. Der Schlüssel liegt darin, dass du dir bewusst wirst, dass dein Wert nicht allein durch die Nähe oder Distanz – oder durch die Laune deines Partners definiert wird. Du bist viel mehr als das, was dir andere spiegeln. Der Impuls dich selbst klein zu machen, und deinen Partner auf ein Podest zu stellen, kommt oft aus deiner Kindheit in Bezug auf deine Eltern.

Erkenne also an, dass du heute erwachsen bist, und dein Partner mit dir auf Augenhöhe ist. Dein Selbstwert in Beziehungen ist mit den frühesten Erfahrungen mit deinen Eltern assoziiert, während dein Selbstwert in anderen Lebensbereichen fast immer im Erwachsenenalter entstanden ist.

 

Fazit: Der Weg zu einer authentischen Bindung

Der Selbstwert ist das Fundament jeder Beziehung – und das darf wachsen und stabil werden, unabhängig davon, ob der Partner dir gerade nah oder fern ist. Die wichtigste Beziehung in deinem Leben ist die Beziehung zu dir selbst. Wenn du erkennst, wie sehr dein Selbstwert von alten Glaubenssätzen geprägt ist, kannst du beginnen, diesen Ballast loszulassen und deine innere Sicherheit neu zu entdecken. So wird deine Beziehung eine Quelle der Verbindung und nicht des Zweifels, weil du lernst, dich selbst als wertvoll und liebenswert zu erfahren – nicht nur, wenn dir dein Partner das zeigt, sondern weil du es tief in dir weißt.

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Wie mich dieses Thema ganz persönlich betrifft

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Auch meine Lebensgeschichte hat sich stark an meinem empfundenen Selbstwert, und meinem Selbstbewusstsein ausgerichtet.

Nach der Fremdbestimmung in Erziehung, Schule und meiner Ausbildung habe ich nur noch Berufe gewählt, in denen ich mich weitestgehend Selbstbestimmt bewegen konnte, und habe die erste Gelegenheit zur Selbstständigkeit ergriffen. Selbst bei der Wehrpflicht habe ich mich stets mit großem Erfolg dem Gruppendruck und der Hierarchie entzogen, ohne zu erahnen womit das zusammenhängt.

In all meinen früheren Beziehungen habe ich jede Verbindlichkeit abgelehnt. Ich habe mich auf fiese und unklare Weise von meinen Partnerinnen getrennt, wenn es mir zu eng wurde, oder ich mich durch die Forderungen nach mehr Intimität bedroht fühlte. Nicht nur weil ich feige war, sondern auch weil ich keine Ahnung hatte, warum ich mich so fühlte.

Begriffe wie Bindungsangst oder Scham waren mir damals fremd, und das Wort Selbstwert habe ich synonym mit Selbstbewusstsein oder Selbstvertrauen benutzt.

Mit wachsendem Bewusstsein konnte ich erkennen, was das im Einzelnen bedeutet, und wie sehr ich in deren Dynamik verstrickt war.

Wertvoll fühlte ich mich seit meiner Kindheit besonders, wenn ich alleine war. Wenn ich mich über Grenzen und Vorschriften hinwegsetzte, oder Dinge bewältigte, die andere nicht einmal im Team schafften.

In Verbindung mit anderen Menschen habe ich dagegen häufig Ablehnung und Ausgrenzung erfahren – besonders in der Pubertät. Wenn ich gemobbt wurde, war der Rat meiner Mutter: „Ignoriere sie! Wenn sie glauben, dass sie dich nicht verletzen können, hören sie damit auf.“ Das klappte nicht immer, doch ich wurde zum Meister des „Gefühle Verbergens“, so gut, dass ich sie selber kaum mehr wahrnahm.

Meine Glaubenssätze „ich muss es alleine schaffen“, „was ich will interessiert niemanden“ oder „ich will niemanden brauchen oder zur Last fallen“ waren natürlich nicht nur das Produkt der Ausgrenzung, sondern im gleichen Maße deren Verstärker.

Weil ich unglaubliches schaffte, wenn ich alleine war, trug ich einen großen Selbstwert und grenzenloses Selbstvertrauen in mir. Wenn allerdings Menschen um mich herum waren, fühlte ich mich immer falsch und „Fehl am Platz“. Dieses Schamgefühl begleitete mich überall wo ich dazugehören wollte oder sollte. Meine Bindungsangst war mir unbekannt, aber quasi vorprogrammiert, wie bei den meisten.

Ein wichtiger Wendepunkt war mein Zusammenbruch (Anfang 40), der vor allem dem geschuldet war, dass ich niemanden brauchen wollte, alles alleine schaffen musste, und mich bzw. meine Autonomie durch andere bedroht fühlte. Der Gedanke an Selbstverantwortung war mir damals neu, hat aber alles verändert.

Grenzen setzen war ein weiterer Gedanke, der viel bewirkte, denn wenn es nichts mit mir zu tun hat, wie sich andere mir gegenüber verhalten, bin es vielleicht gar nicht ich, der falsch ist. Und wenn ich nicht falsch bin, bin ich ja vielleicht sogar wertvoll, wenn andere involviert sind?

Heute weiß ich, dass es vor allem an meinem Selbstbild liegt, wie andere mich behandeln, oder wie sie mit mir umgehen. So wie ich mich selbst behandle, werde ich von anderen behandelt. Und wie wichtig mir meine eigenen Bedürfnisse sind (wenn ich sie überhaupt erkenne), ist entscheidend über meinen Selbstwert und meine Selbstliebe. Diese sind jedoch das Fundament für eine gelungene Partnerschaft auf Augenhöhe.

 

Welche Glaubenssätze trägst du in dir, zum einen in Bereichen wo du dich selbstsicher fühlst, und zum anderen in deinen Beziehungen?

Was tust du alles um dich wertvoll zu fühlen?

Und was vermeidest du alles, um deinen Selbstwert zu schützen?

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Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Conny

    Beziehung ist ….. komplex, vielschichtig und voller bunter Farben. Durch Deine Beschreibungen wird mir sovieles soooo viel bewusster, danke, das Du hier Licht in den Dschungel der Gefühle bringst. In Deinen klaren Beispielen kann ich mich und meinen Partner so gut wiederfinden, und finde eine neue Klarheit und Freiheit – die Freiheit, bei mir zu sein und zu bleiben, und mich nicht abhängig von den Reaktionen meines Partners zu machen. DANKE!!!!

    1. Uwe Krämer

      Dankeschön für dein Feedback liebe Conny ❤, das bedeutet mir viel und bestärkt mich darin, weiter zu machen

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