Warum wir in Beziehungen verharren, die uns nicht guttun
Kennst du dieses Gefühl, das leise flüstert: „Vielleicht reicht es irgendwann. Vielleicht bin ich eines Tages gut genug.“? Du spürst es vor allem dann, wenn die Dinge in deiner Beziehung nicht gut laufen, oder wenn du mal wieder enttäuscht vom Verhalten deines Partners bist. Aber du kannst einfach nicht loslassen.
Du hoffst, dass du nur noch ein wenig „besser“ werden musst, um endlich die Liebe und Anerkennung zu bekommen, nach der du dich sehnst. Aber was ist es, was dich in einer Beziehung festhält, die mehr Schmerz als Freude bringt? Und warum gehst du über deine Grenzen, obwohl du spürst, dass dich die Bindung innerlich zerreißt?
Die Wurzeln der Sehnsucht: Immer „gut genug“ sein wollen
Vielleicht wurdest du schon früh darauf getrimmt, die Erwartungen anderer zu erfüllen. Musstest du als Kind für Liebe und Anerkennung besonders brav oder zurückhaltend sein, um niemandem zur Last zu fallen? Dieses Muster zieht sich oft tief in unser Erwachsenenleben und wird in Liebesbeziehungen zur inneren Stimme. Sie flüstert dir zu; „Es liegt an dir – du musst besser sein, um geliebt zu werden“. Oft fühlen sich besonders Menschen mit Bindungsangst davon betroffen – die Angst, verlassen oder verletzt zu werden, mischt sich mit einem Gefühl des „Ich bin nicht genug“.
Ein Beispiel:
Anna steckt in einer Beziehung, in der sie ständig ihre Bedürfnisse zurückstellt. Jedes Mal, wenn sie spürt, dass ihr Partner sich distanziert, fragt sie sich: „Was mache ich falsch? Warum reicht es nicht? Was muss ich noch alles tun?“ Anstatt Grenzen zu setzen, versucht sie mehr und mehr zu geben, in der Hoffnung, dass er ihre Liebe irgendwann annimmt, und sie endlich akzeptiert. Doch je mehr sie sich anpasst, desto mehr geht ihr eigenes Selbst verloren.
Bindungsangst und die Angst vor Verlust
Bindungsängstliche Menschen tragen ein tiefes Muster in sich: die Angst vor Ablehnung. Diese Angst kann dich dazu bringen, in einer Beziehung zu bleiben, die dich nicht erfüllt – einfach, weil die Vorstellung, allein zu sein, noch viel schlimmer erscheint. Häufig bleibst du lieber bei einem Partner, der nur wenig gibt, als dich der Leere zu stellen, welche die Trennung hinterlassen könnte.
Außerdem wertest du das Scheitern der Beziehung als totales Versagen, denn du fühlst dich allein für das Gelingen der Beziehung verantwortlich. Vermutlich hältst du auch das Gefühl nicht aus, deinen Partner durch die Trennung zu enttäuschen.
Ein weiteres Beispiel:
Tobias liebt seine Freundin, fühlt sich aber ständig minderwertig. Er gibt immer mehr, um ihre Anerkennung zu gewinnen, bleibt aber trotzdem im Gefühl stecken, dass er unzureichend für sie ist. Doch er kann sich nicht trennen – die Vorstellung, dass sie ihn verlässt, wäre für ihn unerträglich. Seine Verlustangst hält ihn in der Beziehung, selbst wenn sie ihn zerreißt. Denn gleichzeitig ist er sich sicher, dass sie ihn verlassen wird, sobald sie erkennt wie unperfekt er doch ist.
Das Muster der Hoffnung auf Anerkennung und die unerreichbare Liebe
Ein besonders schmerzhaftes Muster, das viele bindungsängstliche Menschen antreibt, ist die Hoffnung auf Anerkennung. Die Hoffnung, dass unser Partner eines Tages erkennt, wie wertvoll wir wirklich sind, dass wir auf magische Weise die Verletzungen oder Unsicherheiten des Partners heilen könnten, und dass damit endlich alles gut wird. Doch oft bleibt diese Hoffnung unerfüllt, und die Beziehung hinterlässt ein tiefes Gefühl der Enttäuschung und des Selbstzweifels.
Fast immer steckt dahinter die Sehnsucht nach der Erfüllung der eigenen unerfüllten Wünsche aus der Kindheit – dass jemand dich wahrnimmt, anerkennt und dir die Liebe gibt, die du als Kind vermisst hast. Doch wenn du dir immer wieder beweisen musst, dass du gut genug bist, übernimmst du unbewusst die Verantwortung für die emotionale Bindung deines Partners. Genau wie damals als Kind bei deinen Eltern – und so schließt sich der Kreislauf von Hoffnung und Enttäuschung immer wieder aufs Neue. Du sehnst dich nach Annahme und Bestätigung, ohne diese jemals annehmen zu können.
Wege aus dem Kreislauf: Selbstwert und die Befreiung von Erwartungen
Um aus diesem Muster herauszukommen ist der erste Schritt, die Beziehung zu dir selbst zu heilen. Das klingt vielleicht einfach, ist aber ein zutiefst persönlicher Prozess. Es bedeutet, dass du dich fragst: „Warum denke ich, dass ich mich in meiner Beziehung beweisen muss? Was erhoffe ich mir von meinem Partner? Was soll er mir geben, was ich mir selbst nicht geben kann? Wie könnte er mich anerkennen, wenn ich es selbst nicht tue?“
Wenn du dir erlaubst, deine Bindungsangst anzuerkennen, bekommst du die Handlungsmacht, dich deinen Ängsten und Unsicherheiten zu stellen, anstatt sie durch Anpassung und Hoffnung zu verdrängen. Das bedeutet auch, dass du dir selbst die Erlaubnis gibst, geliebt zu werden, ohne dass du etwas dafür tun oder beweisen musst.
Ein Beispiel:
Sarah begann nach Jahren in einer toxischen Beziehung zu verstehen, dass sie nicht ihre Liebe beweisen muss, um anerkannt zu werden. Sie stellte sich ihren Ängsten und begann, ihre eigenen Wünsche und Grenzen ernst zu nehmen. Der Prozess war nicht leicht – aber Schritt für Schritt lernte sie, dass sie niemanden ändern oder von ihrer Liebe überzeugen muss, um geliebt zu werden.
Durch ihre hoffnungslosen Versuche, für ihn liebenswert zu sein, bestätigte sie ihre vermeintliche Unzulänglichkeit andauernd aufs neue. Als sie das begriff, konzentrierte sie sich immer mehr auf eigene Stärken und Bedürfnisse.
Selbstliebe als Schlüssel zur Heilung
Jeder von uns trägt die Verantwortung für das eigene Glück. Wenn du lernst, die Verantwortung für deine Gefühle und deinen Selbstwert zu übernehmen, kannst du den Kreislauf der Anpassung durchbrechen und gesunde Beziehungen führen, die auf gegenseitigem Respekt und Anerkennung beruhen. Der erste Schritt dabei ist, dich selbst nicht mehr als unfertig oder mangelhaft zu betrachten, sondern als jemanden, der es verdient, so wie er ist, geliebt zu werden. Erst wenn du selbst, deine eigene Größe in dir findest, und begreifst dass du gut genug bist, ohne etwas dafür zu tun, nimmt der Teufelskreis ein Ende.
Fazit
Bindungsangst und die damit verbundene Hoffnung auf Anerkennung kann dich in Beziehungen festhalten, die dich nicht erfüllen. Häufig fühlt sich die Beziehung nur deshalb so toxisch an, weil du deinen eigenen Wert nicht wahrhaben willst. Es ist jedoch möglich, diese Muster zu erkennen und zu heilen, indem du deinen eigenen Wert und deine Größe erkennst, und dich nicht länger durch die Augen deines Partners definierst. Du bist genug – nicht erst, wenn du „alles richtig machst“, sondern schon jetzt, genau so, wie du bist.
Dein Uwe
Wie mich dieses Thema ganz persönlich betrifft
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Was mich bewegt
Meine früheren Beziehungen waren geprägt von Selbstzweifeln. Die Zweifel gingen so weit, dass ich mehrere Partneranwärterinnen vor den Kopf stieß, weil ich es einfach nicht glauben konnte, dass sie das ernst meinten. Dabei mussten sie sehr deutlich werden, weil ich die üblichen Botschaften nicht sah, oder anders deutete. So kam es, dass ich erst mit 20 meine erste Partnerin fand. Ich konnte es nicht glauben dass sich tatsächlich jemand für mich interessierte.
Obwohl mir einige meiner Partnerinnen durchaus bestätigten, dass ich gut genug bin, konnte ich das nicht annehmen. Mein Selbstbild und meine Glaubenssätze über mich selbst waren unvereinbar mit den Botschaften meiner Partnerinnen. Egal was sie sagten oder taten, es drang nicht zu mir durch. Zu überzeugt war ich, dass mit mir etwas nicht stimmt, dass ich falsch bin, und dass sie mich verlassen werden, sobald sie das erkennen.
Also musste ich mich verbiegen, um meine Schwächen zu verbergen, und sie nicht mit meinen Bedürfnissen zu nerven. Das fühlte sich viel klüger und sicherer an, als zu mir zu stehen, Grenzen zu setzen und mich mit meinen Wünschen und Ängsten zu zeigen.
Dass ich damit uns beide frustrierte war mir damals natürlich nicht klar. Auch nicht, dass ich es damit vermied, wirklich in Beziehung zu gehen, denn dies – so glaubte ich – führt direkt zum Scmerz der Zurückweisung, und letztlich zur Trennung.
Wenn mir Partnerinnen zu nahe kamen, ergriff ich unbewusst die Flucht und sabotierte die Beziehung – und wenn mir andere Partnerinnen die kalte Schulter zeigten, fing ich an zu klammern, und meine Werte zu verraten. Ich musste also entweder meine Autonomie, oder meine Werte und Bedürfnisse aufgeben, wenn ich nicht alleine sein wollte.
Rückblickend sehe ich, wie ich mir mein Leben selber schwer gemacht habe, dass ich alle bindungsängstlichen Register gezogen habe, um mir meine Unvollkommenheit immer wieder neu zu beweisen. Ich dachte wirklich, dass ich mich für eine Beziehung größtenteils aufgeben muss, und dass ich Beziehungsunfähig bin. Tatsächlich kannte ich dieses Wort damals schon, hatte aber keine Ahnung, was es damit auf sich hat.
Was mich daran wirklich bewegt ist die Vehemenz, mit der ich mein schwaches Selbstbild gegen alle Beteuerungen verteidigt habe. Niemand hatte auch nur den Hauch einer Chance, mich eines Besseren zu belehren. „Ich bin nicht gut genug“ war scheinbar untrennbar mit mir verwoben, bis ich es eine Tages hinterfragte…
Wo verteidigst du deine Unvollkommenheit, selbst wenn dich jemand gut findet?
Kannst du dir vorstellen, dass dein Partner DICH gewählt hat, WEIL du für ihn gut genug bist?
Wer hat dir erzählt, dass du nicht gut genug bist? War das jemals wahr?
Themenstruktur "Selbstbewusstsein stärken"
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