Warum es so schwer ist, sich von alten Mustern zu befreien
„Ich weiß, dass es nicht stimmt. Aber ich fühle es trotzdem.“
Jasmin will ihrn Rucksack an negativen Glaubenssätze loslassen, aber wie geht das? Sie starrt auf ihr leeres Tagebuch, denn Sie hatte den Auftrag von ihrer Therapeutin bekommen, all die negativen Glaubenssätze aufzuschreiben, die sie über sich selbst denkt. Nach wenigen Minuten steht da:
- „Ich bin nicht gut genug.“
- „Ich muss alles alleine schaffen.“
- „Ich darf keine Fehler machen.“
- „Ich bin nur liebenswert, wenn ich perfekt bin.“
Sie liest die Sätze und denkt: „Ich weiß doch, dass das nicht stimmt. Ich weiß, dass ich wertvoll bin – einfach so.“
Und doch fühlt es sich nicht so an. Tief in ihr pocht immer noch das alte Gefühl, nicht zu genügen. Als wäre es in ihrem Körper gespeichert.
Warum ist es so schwer, diese Glaubenssätze loszulassen – selbst wenn wir längst erkannt haben, dass sie uns schaden?
Die unsichtbare Loyalität: Warum wir an alten Glaubenssätzen festhalten
Viele der Überzeugungen, die wir über uns selbst haben, stammen aus der Kindheit. Sie sind nicht einfach „falsche Gedanken“, sondern tief verankerte Erfahrungen, die damals unsere Überlebensstrategien waren. Die Bindung zu den Eltern musste beschützt werden. Unser Leben hing damals davon ab!
Wenn Eltern uns nicht spiegeln konnten, dass wir ohne jede Bedingung wertvoll sind, speichern wir ab:
- „Ich muss leisten, um geliebt zu werden.“
- „Ich bin zu viel oder nicht genug.“
- „Meine Bedürfnisse sind nicht wichtig.“
Doch hinter diesen Glaubenssätzen steckt noch etwas Tieferes: Loyalität.
Denn als Kind sind wir zutiefst abhängig von unseren Eltern – emotional, physisch, existenziell. Wenn sie uns nicht geben können, was wir brauchen, suchen wir den Fehler nicht bei ihnen. Wir suchen ihn bei uns.
„Ich bin der Grund, warum Mama nicht glücklich ist.“
„Wenn ich besser wäre, würde Papa mich mehr beachten.“
„Wenn ich angepasster wäre, hätten meine Eltern Zeit und Liebe für mich.“
Diese Selbstbeschuldigungen geben uns (vermeintlich) Kontrolle. Sie lassen uns glauben, dass wir etwas ändern können, um Liebe und Sicherheit zu bekommen.
Aber sie haben auch noch eine andere Funktion: Sie bewahren die Verbindung zu unseren Eltern.
Denn wenn ich den Fehler bei mir suche, muss ich nicht anerkennen, dass die Menschen, die ich liebe, mich verletzt haben. Ich muss mich nicht in die schmerzhafte Wut oder Trauer hineinfühlen.
Bindungsangst und der Kampf zwischen Loyalität und Selbstwert
Hier zeigt sich ein spannendes Muster bei Menschen mit Bindungsangst:
- Einerseits wünschen sie sich Nähe, Liebe und Anerkennung.
- Andererseits sabotieren sie Beziehungen – aus Angst, verletzt und verlassen zu werden, oder sich selbst zu verlieren.
Wir halten tief in uns noch immer an den alten Glaubenssätzen fest, die uns damals „Sicherheit“ gaben. Sie wurden zu unserer unbewussten Grundeinstellung,
Beispiel:
- Wenn ich als Kind gelernt habe, dass meine Bedürfnisse zu viel sind, werde ich auch im Erwachsenenalter Schwierigkeiten haben, sie in Beziehungen zu kommunizieren, oder zu zeigen.
- Wenn ich mich damals angepasst habe, um Liebe zu bekommen, fällt es mir heute schwer, mich mit meinen Gefühlen und Wünschen zu zeigen, geschweige denn diese durchzusetzen.
Und diese Muster halten sich hartnäckig. Denn sie sind nicht nur „falsche Gedanken“ – sie sind alte Loyalitäten.
Loyalität zu den Eltern, die es vielleicht nicht besser konnten.
Loyalität zu der Hoffnung, dass ich doch noch irgendwann gut genug bin.
Warum Wut der Schlüssel zum Glaubenssätze loslassen ist
Hier kommt ein Gefühl ins Spiel, vor dem viele Angst haben: Wut.
Denn um alte Glaubenssätze loslassen zu können, müssen wir oft durch die Wut hindurchgehen – die Wut darüber, dass unsere Bedürfnisse nicht gesehen wurden, dass wir uns anpassen mussten, dass wir uns leicht machen mussten, dass unsere Eltern versagt haben.
Doch warum macht uns diese Wut Angst?
- Weil sie Schuldgefühle auslöst: „Ich darf doch nicht wütend auf meine Eltern sein – sie haben ihr Bestes gegeben.“
- Weil sie Verlustängste triggert: „Wenn ich meine Eltern infrage stelle, verliere ich vielleicht die Verbindung zu ihnen.“
- Weil sie uns in Kontakt mit Schmerz bringt: „Wenn ich anerkenne, was mir gefehlt hat, muss ich fühlen, wie sehr es wehgetan hat – dass es wirklich schlimm für mich war.“
Deshalb halten viele Menschen lieber an ihren alten Glaubenssätzen fest – auch wenn sie ihnen schaden. Denn sie fühlen sich vertraut an. Sie fühlen sich sicher an, und sind berechenbar. Das gibt uns das Gefühl von Kontrolle.
All unsere unbewussten und automatisierten Schutzstrategien bauen auf unseren Glaubenssätzen auf. Wenn wir die Glaubenssätze loslassen, verlieren wir die Kontrolle und müssen Vertrauen. Etwas, was wir nie gelernt haben.
Wie du alte Glaubenssätze loslassen kannst – ohne dich schuldig zu fühlen
Der Weg raus aus dieser inneren Zerrissenheit ist nicht einfach – aber er ist möglich. Hier sind drei Schritte, die helfen können:
1. Erkenne die Loyalität hinter deinen Glaubenssätzen
Frage dich:
- Wem bin ich noch immer loyal, wenn ich an diesem Glaubenssatz festhalte?
- Vor welchem Schmerz schütze ich mich, wenn ich mich selbst klein mache?
Allein diese Fragen können helfen, die tieferen Schichten deiner Überzeugungen zu erkennen.
2. Erlaube dir Wut – ohne Schuldgefühle
Es ist okay, wütend zu sein. Wut bedeutet nicht, dass du deine Eltern nicht liebst. Es bedeutet nur, dass ein Teil von dir etwas anderes gebraucht hätte.
- Schreibe deine Wut auf.
- Führe imaginäre Gespräche mit deinen Eltern.
- Spiele mit dem Gedanken, dass du keine glückliche Kindheit hattest.
- Erlaube dir zu fühlen, was damals keinen Raum hatte.
- Falls du keine, oder nur positive Erinnerungen hast, so überlege dir, welches Verhalten nötig war, um deine Glaubenssätze entstehen zu lassen.
Wut ist der erste Schritt zur Heilung – weil sie dich mit deinem wahren Selbst verbindet.
3. Entscheide dich bewusst: Loyalität oder Freiheit?
Am Ende steht eine Entscheidung:
- Willst du weiter an alten Glaubenssätzen festhalten, um loyal zu bleiben?
- Oder bist du bereit, diese Überzeugungen loszulassen – auch wenn es bedeutet, durch Wut und Schmerz hindurchzugehen?
Die gute Nachricht ist: Du kannst beides haben.
Du kannst deine Eltern lieben – und trotzdem deine alten Glaubenssätze loslassen.
Du kannst Mitgefühl für ihr Handeln haben – und trotzdem anerkennen, was dir gefehlt hat. Und du kannst anerkennen, dass heute weder dein Wert, noch deine Liebenswürdigkeit, vom damaligen Verhalten deiner Eltern abhängt. Diesen Rucksack an Glaubenssätzen kannst du getrost an jene Menschen zurückgeben, zu denen er gehört.
Das ist echte Freiheit.
Fazit: Glaubenssätze loslassen bedeutet, dich selbst wiederzufinden
Wenn du dich fragst, warum du dich in Beziehungen immer wieder verlierst oder nicht einlassen kannst, dann schau tiefer: Welche alten Glaubenssätze hältst du noch immer fest?
„Ich bin nicht gut genug.“
„Ich muss alles alleine schaffen.“
„Ich darf keine Schwäche zeigen.“
Frage dich: „Will ich diese Überzeugungen behalten – oder will ich frei sein?“
Das Loslassen dieser alten Glaubenssätze erfordert Mut. Es bedeutet, deine Wut zu fühlen, deinen Schmerz zu sehen und dich neu zu entscheiden. Doch auf der anderen Seite wartet etwas Wunderschönes:
Echte Selbstliebe.
Tiefe, authentische Beziehungen auf Augenhöhe.
Und die Freiheit, „du selbst“ zu sein zu dürfen – auch in der Partnerschaft.
Dein Uwe
P.S. Zu vielen Themen gebe ich ganz private Einblicke in mein Leben und mein Learning. Falls dich das interessiert klicke unten auf den roten Button „+ Wie das Thema der Woche mich betrifft“
Wie das Thema der Woche mich betrifft
Meine Glaubensätze:
…begleiten mich durch mein ganzes Leben. Sie machen sich auch heute noch in vielerlei Hinsicht bemerkbar, obwohl ich mich viel damit beschäftigt habe. Natürlich verstehe ich rational, dass das nicht wahr ist, doch tief im Unterbewusstsein ist das noch tief verwurzelt. Demnach kostet es einige Energie, die unbewussten und automatisierten Interpretationen auf Nähe oder Erwartungen zu bemerken, und zu hinterfragen. Der Wert, den mir meine Eltern gespiegelt haben hat viel mehr mit ihnen und mit ihrer Vergangenheit zu tun, als mit mir. Sie haben ihr Bestes gegeben, und dafür habe ich Verständnis. Meine Glaubenssätze sind meine eigene kindliche Interpretation auf das Verhalten meiner Eltern. Doch das Verhalten meiner Eltern entsprang ihren eigenen Glaubenssätzen, und ihrem fehlenden Einfühlungsvermögen. Deshalb darf ich die Wut aufbringen, um sie damit zu konfrontieren, dass ihr Bestes, nicht gut genug war. Und ich darf mich an der eigenen Nase packen, denn auch ich habe schlimme Fehler bei der Erziehung meiner Tochter gemacht. Meine Erkenntnis kam für sie zu spät, und so habe ich ihr meine Glaubenssätze vererbt. Zusätzlich zu jenen, die sie von ihrer Mutter hat. Ich bin mit meiner Tochter darüber im Gespräch – ich erkläre, entschuldige mich, und stelle mich ihrer Wut. Glaubenssätze loslassenMein Vater lebt nicht mehr, und mit meiner Mutter ist es schwierig, solche Themen zu besprechen. Zu tief ist der Schmerz aus der eigenen Kindheit, und ihre Sicht auf unsere ersten gemeinsamen Jahre weicht stark von meiner Wahrnehmung ab. Doch ich brauche keine Entschuldigung von ihr, wenn ich erkenne, dass ich – so wie ich bin – wertvoll und liebenswert bin, ganz unabhängig von deren damaligen Verhalten. Meine Wut richtet sich nicht gegen meine Eltern als Menschen. Und diese Wut trennt mich nicht zwangsläufig von meinen Eltern – sie trennt mich von der Idealisierung meiner Eltern, und von meiner Loyalität gegenüber deren Verhalten. Diese Wut trennt mich von meinen limitierenden Glaubenssätzen. Dies ist ein guter Anfang, um die Glaubenssätze loslassen zu können. Zu begreifen, dass ich Hilfe zu erwarten habe – dass ich bedingungslos liebenswert und wertvoll bin – dass ich mich abgrenzen, und zu mir stehen darf, ohne dafür abgelehnt zu werden. Was glaubst du über dich und über deinen Wert? Ist das wirklich wahr? Was ist der Preis dafür, wenn du die Glaubenssätze loslassen willst? Welchen Wert spiegelst du deinen Kindern? |
Mach dir deine Beziehung schön,
Dein Uwe
Themenstruktur "Selbstbewusstsein stärken"
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