Warum Veränderung bei Bindungsangst so schwer fällt. Ist das bekannte Leid leichter zu tragen, als mutige Schritte zu gehen?

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Prokrastination in Beziehungsfragen.

Stell dir vor, du stehst an der Tür zu einem Raum voller Möglichkeiten. Der Schlüssel ist in deiner Hand, aber deine Füße bleiben wie angewurzelt stehen. Warum fühlt sich dieser Schritt so unglaublich schwer an? Weil du nicht weißt, was dich hinter der Tür erwartet. Diese Unsicherheit hat eine faszinierende Macht über uns – sie hält uns oft im bekannten Schmerz fest, statt dass wir uns in die potenzielle Freiheit der Veränderung wagen.

Machen ist wie Wollen, nur krasser!

Viele Menschen sind mit ihrer aktuellen Situation in irgendeinem Lebensbereich unzufrieden, und wollen etwas verändern. Tatsächlich wissen die allermeisten dieser Menschen auch ganz genau, was sie tun müssten, um diesen Zustand zu verändern. Manche fassen einen Entschluss und gehen mutig los – bis die ersten Schwierigkeiten auftauchen, oder die Selbstzweifel sie in ihr bequemes Nest der Komfortzone zurückziehen. Und dann gibt es noch die Menschen, die sich klar für sich entscheiden, und trotz aller Widrigkeiten und Ängsten dranbleiben.

Die Komfortzone des Leidens

Maria war seit drei Jahren in einer Beziehung, die sie auffraß. Ihr Partner war emotional distanziert, Gespräche über Gefühle endeten meist in Streit, und sie fühlte sich zunehmend einsamer. Doch sie blieb. „Es ist nicht perfekt, aber wenigstens weiß ich, woran ich bin,“ erklärte sie. Für Maria war der Gedanke an eine Trennung – und die Ungewissheit, was danach kommt – weitaus beängstigender als die tägliche Unzufriedenheit. Dazu kommt der Gedanke, dass die Veränderung von außen kommen soll, ohne zu reflektieren, welchen Einfluss sie selbst auf die Beziehungsdynamik hat.

Bindungsangst spielt hier eine zentrale Rolle, doch was steckt dahinter? Das bekannte Leid erscheint sicherer, weil es vorhersehbar ist. Veränderungen hingegen bergen das Risiko, alte Wunden zu berühren, unangenehme Gefühle auszulösen oder gar wieder verletzt zu werden. Außerdem begleitet uns oft die unbewusste kindliche Überzeugung, dass wir es nicht ändern können, es nicht besser verdient haben, oder nicht gut genug sind, um ein besseres Leben zu gestalten.

Warum Veränderung schwer ist

Bindungsängstliche haben oft eine innere Stimme, die sagt: „Was, wenn das Neue noch schlimmer ist? Was, wenn ich nicht gut genug bin, um es zu schaffen? Was, wenn ich wieder verletzt werde?“ Diese Unsicherheit ist lähmend, weil das Gehirn Sicherheit höher bewertet als Glück. Selbst eine ungesunde Beziehung fühlt sich besser an als die Angst, allein zu sein oder zu scheitern.

Beispiel aus der Praxis

Paul träumte von einer erfüllten Beziehung, doch jedes Mal, wenn seine Partnerin mehr Nähe suchte, reagierte er mit Rückzug. Er plante lange Wochenenden „für sich“, ignorierte Nachrichten oder suchte Trost in Arbeit oder Ablenkung. In der Tiefe wusste er, dass er sich so nicht entwickeln konnte, aber die Angst, sich zu öffnen, und die Vorstellung, womöglich zurückgewiesen zu werden, hielten ihn gefangen.

Gleichzeitig erlebte Annika das Gegenteil: Sie war diejenige, die sich immer mehr bemühte, Gespräche suchte und Nähe einforderte. Als ihr Freund schließlich zugab, dass er emotional überfordert sei und daran nichts verändern könne, blieb Annika bei ihm. Nicht aus Liebe, sondern aus Angst vor der Einsamkeit. Die vermeintliche Sicherheit des „Bekannten“ wirkte stärker als die Aussicht, endlich frei für jemanden zu sein, der sie wirklich wollte.

Die Angst vor der Ungewissheit transformieren

Wie können wir diese Kette durchbrechen? Hier sind einige Ansätze:

Das Ungewisse entmystifizieren:

Verändere deinen Blick auf das Unbekannte. Schreibe dir auf, was die schlimmsten, aber auch die besten Ergebnisse deiner Veränderung sein könnten. Oft wirken Ängste im Kopf größer, als sie in der Realität sind.

Schrittweise Veränderung:

Nicht jeder Schritt muss monumental sein. Fange klein an – ein offenes Gespräch, ein Tag mit Fokus auf dich selbst, eine neue Perspektive auf die Gesamtsituation, ein neuer Gedanke.

Hilfe suchen:

Veränderungen sind einfacher mit Unterstützung. Ein Coach, Therapeut oder sogar ein verständnisvoller Freund können dir helfen, neue Perspektiven einzunehmen und Widerstände zu bewältigen.

Die Prokrastination hinterfragen:

Frage dich: Was gewinne ich wirklich, wenn ich die Veränderung vor mir herschiebe? Ist es eher Zeit durch das Warten auf den perfekten Moment, der ja bekanntlich nicht kommt? Oder gewinnst du Harmonie und Frieden? Ist das wirklich nützlich? Welche Energie strahlst du aus, wenn du den Konflikt in dir tägst? Wie behandelst du dich und deinen Partner?

Welchen versteckten Nutzen finde ich im Leid?

Eine limitierende Überzeugung kann dich davor bewahren, die unbequeme Wahrheit anzuerkennen, oder ins TUN zu kommen. Sie kann auch deine Eltern beschützen, oder dir dein negatives Selbstbild bestätigen. (Z.B. Wenn meine Eltern an meiner aktuellen Situation nicht mehr schuld wären, fällt die Verantwortung auf mich zurück.) Viellecht ist das Leid dein Medium, um gesehen, und getröstet zu werden? Es gibt viele weitere Möglichkeiten.

Die Macht des Tuns:

„Machen ist wie wollen, nur krasser.“ Veränderung passiert nicht durch Denken allein. Jeder noch so kleine Schritt in die Handlung gibt deinem Gehirn positive Beweise, dass du es schaffen kannst! Aus deiner Erfahrung, „Selbstwirksam“ zu sein, wächst dein Selbstvertrauen. Dein Selbstvertrauen steigert deinen selbst empfundenen Selbstwert. Wenn du dich wertvoll fühlst, fällt es dir leichter dich zu lieben. Und wenn du dich selbst liebst, und mehr zu dir stehst, wächst deine Überzeugung, dass auch andere dich lieben könnten Vielleicht sogar Menschen, die dir guttun.

Die Ohnmacht des Nicht-Tuns:

Du bestätigst dir einmal mehr, dass du nicht gut genug bist, dass du nichts ändern kannst, und du dem Schicksal hilflos ausgeliefert bist. Das Leben passiert dir, du kannst keine Hilfe erwarten oder annehmen, und die Erwartungen der anderen sind wichtiger als eigene Wünsche und Bedürfnisse. Du bist gefangen im inneren Kind, und hast Angst erwachsen zu werden. Du verlierst immer mehr den Respekt vor dir selbst, und damit dein Selbstvertrauen, deinen Selbstwert, und letztlich deine Selbstliebe.

Vom Überleben zum Leben

Was Maria und Paul lernen durften, ist, dass die scheinbare Sicherheit des Leidens keine echte Sicherheit ist. Sie ist eine Illusion. Die wahre Stärke liegt darin, die Unsicherheit der Veränderung zu umarmen – mit all ihren Möglichkeiten, aber auch mit dem Mut, alte Wunden zu heilen und neue Wege zu gehen.

Was willst du dir also selbst erlauben? Das Bekannte, das dich einschränkt? Oder die Schritte ins Unbekannte, die dich befreien können?

Die Wahl liegt in deiner Hand. Veränderung mag beängstigend sein, doch sie ist der Schlüssel zu einem Leben, das du wirklich liebst.

Mach dir dein Leben schön

Dein Uwe

 

P.S. Zu vielen Themen gebe ich ganz private Einblicke in mein Leben und mein Learning. Falls dich das interessiert klicke unten auf den roten Button „+ Wie das Thema der Woche  mich betrifft“

Viele Jahre war ich in der Ohnmacht des Reagierens, der Rebellion, und des Aushaltens gefangen. Ich redete mir ein, mein Leben zu gestalten, doch rückblickend war es ein „treiben lassen“ im Strudel fremder Erwartungen und meinem eigenen Anspruch, auf keinen Fall wie alle anderen zu sein.

Es brauchte viele Jahre zur Erkenntnis, dass mich Rebellion um jeden Preis auch nicht freier macht als Anpassung. Deshalb brauchte ich wohl meine beiden großen Lebenskrisen, die mein Leben entscheidend verbessert haben.

Natürlich habe ich das damals nicht so wahrgenommen, denn diese Grenze zum Unbekannten erschien aus dem Tal der Krise wie ein riesiger bedrohlicher Riese.

Die Kraft der Verzweiflung trieb mich über diese Grenze, und was danach geschah lässt sich kaum beschreiben. Die Aha-Erlebnisse und Erkenntnisse überschlugen sich, und ich gewann immer mehr an Selbstwirksamkeitsüberzeugung. Wie im Artikel beschrieben veränderte hierdurch sich mein Selbstbild und meine Selbstwahrnehmung.

Es war objektiv ein sehr langsamer Prozess, aber es kam mir vor wie ein Wunder auf der Überholspur. Innerhalb sieben Jahren hatte ich mein ganzes Leben gedreht, vom Opfer seiner Umstände und fremder Erwartungen, zu einem Selbstbestimmten und glücklichen Leben.

Meine zweite Krise war quasi nur eine Etappe auf diesem Weg, deshalb erschein sie mir wesentlich weniger bedrohlich als die erste, in der ich mich aus den selbstauferlegten Zwängen des allgemeinen Lebens befreite. „Ich mit mir selbst“.

Diese zweite Krise betraf mein Beziehungsleben, welches im Gegensatz zum allgemeinen Leben noch viel mehr mit dem inneren Kind verwoben ist. „Ich im sozialen Kontext, und im Besonderen mit einem Menschen, dem ich gefallen will.“

Das „innere Kind“ steht für all die geprägten Überzeugungen, die wir unhinterfragt aus unserer frühesten Kindheit mit ins Erwachsenenleben genommen haben.

  • Was bin ich (mir) wert?
  • Wie funktionier Bindung?
  • Wie funktioniert die Welt?
  • Wer ist für mein Glück verantwortlich?
  • Wie muss ich sein um angenommen und anerkannt zu werden?
  • Was muss ich tun, um gut genug, oder liebenswert zu sein?
  • Welchen Einfluss habe ich auf all diese Dinge?

Wie du richtig vermutest, haben diese Parameter auch den größten Einfluss auf unsere Bindungsangst, und allen daraus resultierenden Schutzstrategien.

Für mich wurde der Mut zur Veränderung tausendfach belohnt.

Durch meinen Glaubenssatz, „ich muss es alleine schaffen“ konnte ich mir keine Hilfe holen, und musste es alleine schaffen. Dieser Weg war lang, hart und voller Rückschläge – doch er hat sich gelohnt.

Falls du es dir leichter machen willst, gönne dir einen Coach. Du musst es nicht alleine schaffen, aber du musst den ersten Schritt gehen. Von dem hängt alles ab. Bist du bereit dazu? Bist du es dir wert?

Willst du alles so lassen wie es ist? Dann triff diese Entscheidung, und hör auf zu jammern.

Willst du etwas verändern? Dann mache den ersten kleinen Schritt innerhalb 72 Stunden. Wenn du bis dahin nichts unternimmst, tust du es mit größter Wahrscheinlichkeit nie. (72 Stunden Regel)

Wie oft bist du schon gestartet? Und wie oft wieder umgekehrt?

Willst du es alleine versuchen? Oder gönnst du dir Unterstützung?



Mach dir deine Beziehung schön, 

Dein Uwe

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