Zwischen Hoffnung und Schmerz: Warum wir uns an ambivalente Partner klammern und dabei uns selbst verlieren

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Der Schmerz der Hoffnung. Wenn der Partner nicht so ist wie er sein sollte.

Warum wir uns an ambivalente Partner klammern und dabei uns selbst verlieren

Hoffnung ist ein starker Antrieb – vielleicht einer der stärksten überhaupt. Hoffnung lässt uns glauben, dass sich alles noch zum Guten wenden wird. Dass unser ambivalenter Partner, der uns heute mit seiner Unsicherheit verletzt, morgen doch bereit sein wird, uns die Liebe zu geben, die wir so dringend brauchen. Doch was geschieht, wenn diese Hoffnung nicht nur wächst, sondern uns zerfrisst und aufzehrt?

Wenn du das Gefühl kennst, an einer Beziehung festzuhalten, die dich verletzt, dann bist du nicht allein. Dieses emotionale Auf-und-Ab ist ein häufiges Phänomen in Beziehungen, bei denen Bindungsangst im Spiel ist – und das auf beiden Seiten. Das mag dir wie Hohn vorkommen, doch wie so oft ist dein Partner nicht dein Widersacher, sondern die andere Seite der selben Medaille.


Warum wir an ambivalenten Partnern festhalten

Menschen mit Bindungsangst senden oft widersprüchliche Signale. Sie wünschen sich Nähe, aber sobald diese entsteht, empfinden sie diese als bedrohlich und ziehen sich zurück. Für den Partner, der mehr Nähe sucht, ist das unglaublich schmerzhaft. Doch anstatt loszulassen, klammert er sich oft noch stärker an die Hoffnung, dass alles besser wird.


Warum ist das so?

Der Illusion der Kontrolle:

Viele Betroffene glauben: „Wenn ich nur genug Liebe gebe, dann wird mein Partner sich ändern.“ Diese Vorstellung verleiht ihnen das Gefühl von Kontrolle – doch diese Kontrolle existiert nicht.

Angst vor dem Alleinsein:

Die Furcht vor dem Verlassenwerden ist größer als die Einsicht, dass die Beziehung nicht gesund ist. Lieber in einer unglücklichen Beziehung bleiben, als den schmerzhaften Schritt ins Ungewisse zu wagen.

Selbstwertprobleme:

Tiefe Unsicherheiten im eigenen Selbstwert führen dazu, dass wir glauben, diese Art von Liebe sei das Beste, was wir verdienen können.

Gegenseitige Muster bedienen:

Nicht nur dein Partner sendet ambivalente Signale, denn auch du sendest mit deiner Verzweiflung zwischen Hoffnung und Resignation widersprüchliche Signale aus?


Das Leiden an der Ambivalenz

Ambivalentes Verhalten des Partners zeigt sich oft auf eine Weise, die uns in einem ständigen Zustand des Wartens hält.

Ein Beispiel:

Dein Partner spricht von seiner Liebe, zieht sich aber zurück, sobald du mehr Verbindlichkeit erwartest. Vielleicht verbringst du gemeinsame Wochenenden voller Nähe und Intimität – nur um danach tagelang keine Nachricht zu bekommen. Du bist verwirrt, verletzt, zweifelst, ob deine Ansprüche zu hoch sind, und fragst dich trotzdem, ob du genug für ihn bist.

Diese Ambivalenz kann dich innerlich zerreißen. Denn Hoffnung kann sowohl ein heilender Anker als auch ein lähmender Käfig sein. „Hoffnung ist die kleine Schwester der Verzweiflung“ – so sagt man, und das drückt es wunderbar aus. In der Ver-zwei-flung kämpfen zwei gegensätzliche Gefühle darum gehört zu werden. Dieses „hin und her gerissen sein“ empfinden wir auch in der Hoffnung. Es gibt einen Ist-Zustand der unbefriedigend ist, und einen Soll-Zustand, den wir meist unhinterfragt für die Erlösung halten.

Weil wir diesen Spagat nicht aushalten, reden wir uns die negativen Attribute schön, während wir gleichzeitig jeden Strohhalm ergreifen, als wäre das die finale Rettung.


Die tieferliegenden Muster

Woher kommt dieser Drang, eine Beziehung zu retten, die offensichtlich nicht funktioniert?

Kindheitserfahrungen:

Menschen, die in ihrer Kindheit keine verlässliche Bindung erfahren haben, gewöhnen sich oft daran, für Aufmerksamkeit und Liebe „kämpfen“ zu müssen. Dieses Muster wiederholt sich später in Beziehungen. Beziehung ohne Kampf fühlt sich falsch oder wertlos an.

Die Illusion der Kontrolle:

Die Hoffnung, jemanden verändern zu können, gibt uns das Gefühl, etwas bewirken zu können – doch sie lässt uns ignorieren, dass Liebe nicht erzwungen werden kann.

Abhängigkeit:

Die Suche nach Bestätigung durch den ambivalenten Partner wird oft zur Sucht – selbst dann, wenn die „Dosis“ an Zuwendung zu klein ist, um wirklich zu heilen. Doch der Schuss geht nach hinten los, denn das ambivalente Verhalten sabotiert noch den letzten Rest unseres selbst empfunden Wertes.

Helfersyndrom:

Wir glauben den Partner retten zu können, obwohl der das oft gar nicht will. Die Ohnmacht die die aus dem Gefühl des „Ich habe noch nicht mein Bestes gegeben“, bestätigt unser „Ich bin nicht genug“ Gefühl. Aufgeben interpretieren wir als persönliches Versagen.

Psychologie:

In unserem psychologischen Grundbedürfnis nach Kontrolle bestätigen wir uns lieber das was wir glauben, als das was wir hoffen (ich bin nicht genug). Ambivalentes Verhalten des Partners erzeugt außerdem einen Hormoncocktail in uns, der den Partner als den einzig richtigen erscheinen lässt. 


Wie du dich aus dem Teufelskreis befreien kannst

Reflektiere deine eigene Bindungsangst:

Könnte es sein, dass du dich von diesem ständigen Wechselspiel angezogen fühlst, weil du selbst unbewusste Ängste vor Nähe oder Verlust hast? Willst du dir täglich selbst bestätigen, dass du nicht gut genug bist? Ist die Vorstellung „gut genug zu sein“ für dich bedrohlicher als deine tiefste Überzeugung, dass es nicht so ist?

Erkenne den Unterschied zwischen Hoffnung und Realität:

Es ist nicht deine Aufgabe, jemanden „retten“ oder ändern zu müssen. Liebe entsteht aus freiwilliger Verbindung – nicht aus Zwang oder Selbstaufgabe.

Investiere in dich selbst:

Erschaffe dir ein Leben, in dem du dich selbst so lieben kannst, wie du bist. Starker Selbstwert mindert die Bereitschaft, bei einem Partner zu bleiben, der dir nicht gut tut.

Suche professionelle Unterstützung:

Oft braucht es Zeit, um alte Muster zu durchbrechen. Ein Coaching oder eine Therapie kann dir helfen, diese tiefliegenden Dynamiken zu verstehen und neue Wege zu finden.

 

Ein Neubeginn

Loslassen ist kein Zeichen des Scheiterns, sondern ein Akt der Selbstliebe. Es bedeutet nicht, die Hoffnung aufzugeben – sondern sie auf sich selbst zu richten. Denn die Liebe, die du verdienst, findest du nicht in Ambivalenz oder widersprüchlichen Signalen. Sie beginnt bei dir – in deinem Mut, Nein zu sagen zu dem, was dich schwächt, und Ja zu dem, was dich stärkt.

Loslassen bedeutet nicht, den Partner zu loszulassen, sondern deine Erwartung, dass dein Partner anders sein sollte als er ist. Es bedeutet die Erwartung loszulassen, dass dein Partner deine tiefsten und innersten Unsicherheiten heilt, denn das ist deine Aufgabe.

Gib dir selbst die Chance, statt auf Veränderung im anderen zu hoffen, die beste Version von dir selbst zu werden – in einer Beziehung, die dich nährt und nicht erschöpft. Du bist nicht allein auf dieser Reise, und du darfst dir Unterstützung holen – der Weg mag steinig sein, aber er führt dich zurück zu dir selbst.

Mach dir dein Leben schön

Dein Uwe

 

P.S. Zu vielen Themen gebe ich ganz private Einblicke in mein Leben und mein Learning. Falls dich das interessiert klicke unten auf den roten Button „+ Wie das Thema der Woche  mich betrifft“

Ich kenne dieses Phänomen von beiden Seiten, und war jedes Mal sowohl Opfer als auch Täter. Verstanden habe ich da allerdings erst viel später, denn wie man so schön sagt: Das Leben kann nur vorwärts gelebt – aber leider nur rückwärts verstanden werden. Beim Versinken im Sumpf der Gefühle ist es kaum möglich, die Perspektive zu wechseln. Deshalb ist die Draufsicht eines Dritten, der die Dynamik versteht, auch so hilfreich.

Beispiele:

In einer Beziehung, in der ich mich nicht festlegen wollte, nahm ich den lähmenden Teil des Phänomens ein. Ich kommunizierte klar, dass meine Partnerin die erste Chance ergreifen sollte, wenn sie einen passenderen Partner finden würde. Ich wusste, dass dies nicht für immer sein würde, obwohl ich den Grund dafür nicht benennen konnte. Ich bat sie, auf mich keine Rücksicht zu nehmen, wenn sie darunter leiden würde, und genoss dennoch die Geborgenheit und Zweisamkeit mit ihr.

Trotz aller Widersprüche war die Beziehung sehr schön für uns beide, oder vielleicht auch nur bequem für mich. Wir verbrachen die meisten Wochenenden miteinander, und hatten ansonsten unseren Freiraum – obwohl uns nur 15 Km trennten. Eine klassische Ausrede für „ich will nicht allein sein, aber auch nicht in Beziehung gehen.

Die Beziehung hielt mehrere Jahre, und obwohl ich spürte, dass meine Partnerin unter ihrer Hoffnung nach mehr Verbindung litt, hat sie sich nie beklagt. Und obwohl es auch mich insgeheim zerriss, ihr das anzutun, hatte wir beide nicht den Mut, unser Leid zu beenden.

In einer anderen Beziehung litt ich extrem unter den gegensätzlichen Signalen meiner Partnerin. Ich machte mich selbst für die Beziehungsqualität verantwortlich, was meine Partnerin zusätzlich durch Vorwürfe und Liebesentzug unterstützte. Ich hatte die Hoffnung, „wenn ich mir mehr Mühe gebe“, „mich noch mehr verbiege“, und „noch weniger erwarte“,… dann wird irgendwann alles gut.

Erkenntnisse:

Irgendwann sickerte in mir durch, dass unser Leid viel mehr an ihrem geringen Selbstwert lag, und ich versuchte sie zu retten. Noch einige Jahre später erkannte ich, dass ich sie nicht retten kann, weil sie dazu gar nicht bereit war. Also grenzte ich mich von ihr ab und rettete mich selbst. Wir hatten keine echte Beziehung, und litten beide darunter. Und dennoch war die Hoffnung viel zu lange viel zu stark, um dem ein Ende zu setzen.

Selbstreflektion:

Wo glaubst du, dass du jemand anderen ändern kannst oder musst?

Wo setzt du deine ganze Hoffnung ein, obwohl rational alles dagegenspricht?

Was willst du dir oder anderen beweisen, wenn du an deiner Hoffnung zerbrichst?

Dein Partner zeigt dir nur deine Wunde in dir – bist DU bereit dich zu heilen?

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