
Was ich nicht teile, kann niemanden überfordern
Wenn du dich in Beziehungen oft fragst, warum dein Partner scheinbar eine Mauer um sich errichtet, könnte Bindungsangst dahinterstecken. Ein zentrales Thema bei Bindungsängstlichen ist die Weigerung – Gedanken, Gefühle, Wünsche und Bedürfnisse mit anderen zu teilen. Dieser innere Schutzmechanismus mag auf den ersten Blick stabilisierend wirken, doch er blockiert die Entstehung echter Nähe und Intimität.
Warum aber fällt es Menschen mit Bindungsangst so schwer, ihre innere Welt zu teilen?
Die Angst vor Verlust: „Was ich nicht zeige, kann niemanden verletzen“
Einer der Hauptgründe, warum bindungsängstliche Menschen sich nicht öffnen, ist die tiefliegende Angst, verwundbar zu werden. Der Gedanke dahinter lautet oft: „Wenn ich zeige, was mir wirklich wichtig ist, hat der andere Macht über mich.“
Dieses Schutzverhalten stammt häufig aus frühen Kindheitserfahrungen. Kinder, deren Bedürfnisse von ihren primären Bezugspersonen missachtet, abgewertet oder ignoriert wurden, entwickeln den Glaubenssatz: „Meine Wünsche und Bedürfnisse sind nicht sicher.“ Um sich vor dieser Enttäuschung zu schützen, ziehen sich diese Menschen zurück, bevor sie überhaupt die Chance haben, zurückgewiesen zu werden.
Die Angst, den anderen zu überfordern ist ein weiterer häufiger Grund, sich zu verschließen
Die Eltern waren mit den Sorgen und Gefühlen des Kindes überfordert, zum Beispiel weil deine Geschwister bereits ihre ganze Aufmerksamkeit binden. Der Glaubenssatz könnte lauten: „Ich muss es alleine schaffen, für mein Innerstes und meine Bedürfnisse ist hier kein Platz.“ Um sich vor Zurückweisung zu schützen halten sie Gedanken zurück und verstecken ihre Gefühle. „Ich mute mich nicht zu“.
Beispiele aus dem Beziehungsalltag
Das zurückhalten von Gefühlen
Paul ist seit zwei Jahren in einer Beziehung mit Clara. Wenn Clara fragt, was ihn stört, antwortet er fast immer „Nichts, alles okay.“ Doch tief in seinem Inneren brodelt es. Paul hat Angst, dass seine Gefühle als Kritik empfunden werden könnten – oder schlimmer noch, dass sie unbedeutend wären. Also bleibt er stumm, doch dieses Schweigen schafft Abstand zwischen ihm und Clara.
Der Wunsch, keine Bedürfnisse zu haben
Julia und Marco führen seit Jahren eine On-Off-Beziehung. Julia wünscht sich tiefere Gespräche, aber Marco blockt immer ab, wenn es um ihre gemeinsamen Zukunftspläne geht. Marco ist sicher: Wenn er zu offen mit seinen Wünschen umgeht, könnte Julia ihn kontrollieren oder Erwartungen stellen, denen er nicht gerecht wird.
Dahinterliegende Muster: Was uns wirklich vom teilen abhält
Frühkindliche Prägungen
Wenn wir in der Kindheit oft hören mussten „Reiß dich zusammen“, „Du hast nichts zu wollen“ oder „Du bist zu empfindlich“, lernen wir schnell, dass Gefühle und Wünsche besser versteckt bleiben.
Angst vor Zurückweisung
Es ist leichter, uns gar nicht erst zu zeigen, als das Risiko einzugehen, zurückgewiesen zu werden. Das verhindert jedoch auch, dass wir jemals die Erfahrung machen, angenommen zu werden.
Perfektionsstreben
Mit Bindungsangst glauben wir häufig, wir müssten „perfekt“ sein, um geliebt zu werden. Fehler, Unsicherheiten oder Wünsche zuzugeben, erscheint uns als Gefahr, nicht mehr akzeptiert und verlassen zu werden.
Kein Zugang zu unseren Gefühlen und Bedürfnissen
In der Überanpassung haben wir verlernt, uns selber wahr, und wichtig zu nehmen. Selbst wenn wir uns dazu zwingen, ist da nichts was wir teilen könnten. Wir sind davon abgeschnitten.
Uns, oder die Bindung schützen
Wir haben früh gelernt, es mit uns selbst auszumachen, und uns nicht zuzumuten. Sowohl bei Überbehütung, als auch bei überforderten Eltern können wir die Schutzstrategie abgeleitet haben, uns zu verschließen.
Unterordnen und aushalten
Wenn wir unser Gegenüber wichtiger oder wertvoller einschätzen als uns selbst, sind auch unsere Erwartungen, Wünsche und Gedanken es nicht wert, dass wir sie teilen.
Kontrolle behalten wollen
Das Teilen von Bedürfnissen und Wünschen empfinden wir oft als Kontrollverlust. Wenn wir weniger von uns preisgeben, fühlt es sich vermeintlich sicherer an.
Auswege: Wie Teilen zur Chance wird
Erkenne deinen Schutzmechanismus
Der erste Schritt ist, sich bewusst zu machen, dass das Zurückhalten von Gefühlen eine Schutzstrategie ist. Sie hat dir in der Vergangenheit sicherlich gedient, heute hindert sie dich jedoch an echter Verbindung.
Kleine Schritte gehen
Es muss nicht gleich eine große Enthüllung sein. Teile zuerst kleine Dinge mit deinem Partner: einen Gedanken, eine Meinung, eine Vorliebe. Beobachte, was passiert.
Kontakt zu dir wiederherstellen
Nimm immer wieder Kontakt zu deinem Innersten auf und frage dich: Wie geht es mir? Was fühle ich gerade? Wie hoch ist mein Energielevel? Was brauche ich gerade?
Setze auf Selbstreflexion
Frage dich: Was hält mich wirklich zurück? Angst vor Verletzung? Vor Ablehnung? Vor Sichtbarkeit? Schreibe deine Gedanken dazu auf, um ein klares Bild zu bekommen.
Vertraue schrittweise
Teilen bedeutet Risiko, aber auch Chance. Gib dir die Erlaubnis, nicht immer perfekt und unverwundbar zu sein. Echte Nähe entsteht nur, wenn du dich mit all deinen Facetten zeigst.
Professionelle Unterstützung suchen
Ein Coaching hilft dir, die dahinterliegenden Muster aufzudecken, blinde Flecken zu erkennen, und neue, unterstützende Strategien zu entwickeln.
Die Freiheit, die im Teilen liegt
Das, was wir zurückhalten, weil wir glauben, uns zu schützen, trennt uns letztlich von der Verbindung, die wir uns tief im Herzen wünschen. Die Wahrheit ist: Niemand kann dich wirklich lieben, wenn du nur eine Fassade präsentierst. Erst, wenn du es wagst, dein Inneres zu zeigen, wirst du erfahren, dass die Liebe, nach der du suchst, schon die ganze Zeit da war – jenseits deiner Schutzmauern.
Mach den ersten Schritt und erlaube dir, dich selbst zu zeigen. Denn in der Tiefe deiner Ehrlichkeit liegt die Basis für jede erfüllte Beziehung.
Dein Uwe
P.S. Zu vielen Themen gebe ich ganz private Einblicke in mein Leben und mein Learning. Falls dich das interessiert klicke unten auf den roten Button „+ Wie das Thema der Woche mich betrifft“
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