Das ist meins! – Warum bindungsängstliche Menschen ihre innere Welt nicht teilen.

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Ich will meine Gefühle und Gedanken nicht teilen

Was ich nicht teile, kann niemanden überfordern

Wenn du dich in Beziehungen oft fragst, warum dein Partner scheinbar eine Mauer um sich errichtet, könnte Bindungsangst dahinterstecken. Ein zentrales Thema bei Bindungsängstlichen ist die Weigerung – Gedanken, Gefühle, Wünsche und Bedürfnisse mit anderen zu teilen. Dieser innere Schutzmechanismus mag auf den ersten Blick stabilisierend wirken, doch er blockiert die Entstehung echter Nähe und Intimität.

Warum aber fällt es Menschen mit Bindungsangst so schwer, ihre innere Welt zu teilen?

Die Angst vor Verlust: „Was ich nicht zeige, kann niemanden verletzen“

Einer der Hauptgründe, warum bindungsängstliche Menschen sich nicht öffnen, ist die tiefliegende Angst, verwundbar zu werden. Der Gedanke dahinter lautet oft: „Wenn ich zeige, was mir wirklich wichtig ist, hat der andere Macht über mich.“

Dieses Schutzverhalten stammt häufig aus frühen Kindheitserfahrungen. Kinder, deren Bedürfnisse von ihren primären Bezugspersonen missachtet, abgewertet oder ignoriert wurden, entwickeln den Glaubenssatz: „Meine Wünsche und Bedürfnisse sind nicht sicher.“ Um sich vor dieser Enttäuschung zu schützen, ziehen sich diese Menschen zurück, bevor sie überhaupt die Chance haben, zurückgewiesen zu werden.

Die Angst, den anderen zu überfordern ist ein weiterer häufiger Grund, sich zu verschließen

Die Eltern waren mit den Sorgen und Gefühlen des Kindes überfordert, zum Beispiel weil deine Geschwister bereits ihre ganze Aufmerksamkeit binden. Der Glaubenssatz könnte lauten: „Ich muss es alleine schaffen, für mein Innerstes und meine Bedürfnisse ist hier kein Platz.“ Um sich vor Zurückweisung zu schützen halten sie Gedanken zurück und verstecken ihre Gefühle. „Ich mute mich nicht zu“.

Beispiele aus dem Beziehungsalltag

Das zurückhalten von Gefühlen

Paul ist seit zwei Jahren in einer Beziehung mit Clara. Wenn Clara fragt, was ihn stört, antwortet er fast immer „Nichts, alles okay.“ Doch tief in seinem Inneren brodelt es. Paul hat Angst, dass seine Gefühle als Kritik empfunden werden könnten – oder schlimmer noch, dass sie unbedeutend wären. Also bleibt er stumm, doch dieses Schweigen schafft Abstand zwischen ihm und Clara.

Der Wunsch, keine Bedürfnisse zu haben

Julia und Marco führen seit Jahren eine On-Off-Beziehung. Julia wünscht sich tiefere Gespräche, aber Marco blockt immer ab, wenn es um ihre gemeinsamen Zukunftspläne geht. Marco ist sicher: Wenn er zu offen mit seinen Wünschen umgeht, könnte Julia ihn kontrollieren oder Erwartungen stellen, denen er nicht gerecht wird.

Dahinterliegende Muster: Was uns wirklich vom teilen abhält

Frühkindliche Prägungen

Wenn wir in der Kindheit oft hören mussten „Reiß dich zusammen“, „Du hast nichts zu wollen“ oder „Du bist zu empfindlich“, lernen wir schnell, dass Gefühle und Wünsche besser versteckt bleiben.

Angst vor Zurückweisung

Es ist leichter, uns gar nicht erst zu zeigen, als das Risiko einzugehen, zurückgewiesen zu werden. Das verhindert jedoch auch, dass wir jemals die Erfahrung machen, angenommen zu werden.

Perfektionsstreben

Mit Bindungsangst glauben wir häufig, wir müssten „perfekt“ sein, um geliebt zu werden. Fehler, Unsicherheiten oder Wünsche zuzugeben, erscheint uns als Gefahr, nicht mehr akzeptiert und verlassen zu werden.

Kein Zugang zu unseren Gefühlen und Bedürfnissen

In der Überanpassung haben wir verlernt, uns selber wahr, und wichtig zu nehmen. Selbst wenn wir uns dazu zwingen, ist da nichts was wir teilen könnten. Wir sind davon abgeschnitten.

Uns, oder die Bindung schützen

Wir haben früh gelernt, es mit uns selbst auszumachen, und uns nicht zuzumuten. Sowohl bei Überbehütung, als auch bei überforderten Eltern können wir die Schutzstrategie abgeleitet haben, uns zu verschließen.

Unterordnen und aushalten

Wenn wir unser Gegenüber wichtiger oder wertvoller einschätzen als uns selbst, sind auch unsere Erwartungen, Wünsche und Gedanken es nicht wert, dass wir sie teilen.

Kontrolle behalten wollen

Das Teilen von Bedürfnissen und Wünschen empfinden wir oft als Kontrollverlust. Wenn wir weniger von uns preisgeben, fühlt es sich vermeintlich sicherer an.

Auswege: Wie Teilen zur Chance wird

Erkenne deinen Schutzmechanismus

Der erste Schritt ist, sich bewusst zu machen, dass das Zurückhalten von Gefühlen eine Schutzstrategie ist. Sie hat dir in der Vergangenheit sicherlich gedient, heute hindert sie dich jedoch an echter Verbindung.

Kleine Schritte gehen

Es muss nicht gleich eine große Enthüllung sein. Teile zuerst kleine Dinge mit deinem Partner: einen Gedanken, eine Meinung, eine Vorliebe. Beobachte, was passiert.

Kontakt zu dir wiederherstellen

Nimm immer wieder Kontakt zu deinem Innersten auf und frage dich: Wie geht es mir? Was fühle ich gerade? Wie hoch ist mein Energielevel? Was brauche ich gerade?

Setze auf Selbstreflexion

Frage dich: Was hält mich wirklich zurück? Angst vor Verletzung? Vor Ablehnung? Vor Sichtbarkeit? Schreibe deine Gedanken dazu auf, um ein klares Bild zu bekommen.

Vertraue schrittweise

Teilen bedeutet Risiko, aber auch Chance. Gib dir die Erlaubnis, nicht immer perfekt und unverwundbar zu sein. Echte Nähe entsteht nur, wenn du dich mit all deinen Facetten zeigst.

Professionelle Unterstützung suchen

Ein Coaching hilft dir, die dahinterliegenden Muster aufzudecken, blinde Flecken zu erkennen, und neue, unterstützende Strategien zu entwickeln.

Die Freiheit, die im Teilen liegt

Das, was wir zurückhalten, weil wir glauben, uns zu schützen, trennt uns letztlich von der Verbindung, die wir uns tief im Herzen wünschen. Die Wahrheit ist: Niemand kann dich wirklich lieben, wenn du nur eine Fassade präsentierst. Erst, wenn du es wagst, dein Inneres zu zeigen, wirst du erfahren, dass die Liebe, nach der du suchst, schon die ganze Zeit da war – jenseits deiner Schutzmauern.

Mach den ersten Schritt und erlaube dir, dich selbst zu zeigen. Denn in der Tiefe deiner Ehrlichkeit liegt die Basis für jede erfüllte Beziehung.

Mach dir dein Leben schön

Dein Uwe

 

P.S. Zu vielen Themen gebe ich ganz private Einblicke in mein Leben und mein Learning. Falls dich das interessiert klicke unten auf den roten Button „+ Wie das Thema der Woche  mich betrifft“

Wie das Thema der Woche  mich betrifft

„Das ist meins“ ist ein Thema, welches mich seit meiner frühesten Kindheit begleitet. Dabei ging es in erster Linie darum, mich nicht auch noch zuzumuten, denn meine Eltern hatten mit meinem älteren Bruder, und mit sich selbst, schon genug zu tun.

Meine Strategie war: „Wenn ich ein Sonnenschein bin, und meine Eltern vor mir und meinen Sorgen beschütze, bleibt mehr Liebe und Leichtigkeit für mich.“

Ich machte es mit mir selber aus, wollte niemanden zur Last fallen oder um Hilfe bitten – und mein Kuscheltier hörte sich geduldig meine Sorgen und Ängste an. Ich war gerade mal 4 Jahre alt

In meiner Erinnerung hat das wunderbar funktioniert. Viele Menschen mochten mich, und meine Schweigsamkeit wurde häufig als Souveränität ausgelegt.

Je mehr meine Mutter an meinen Sorgen teilhaben wollte, weil sie spürte, dass mich etwas belastet, desto mehr beschützet ich meinen Schatz. „Das ist meins!“ Meine Gedanken, meine Gefühle, meine Erlebnisse, meine Interpretationen, meine Sachen, meine Welt.

Gefühle verbergen konnte ich gut

Mit Mitschülern und fremden Menschen machte ich kaum gute Erfahrungen, und in der Jugend hieß es: „zeige niemanden, wie verletzt du bist“. Gefühle zu zeigen, oder sichtbar zu sein bedeutete in Schule und Freizeit gemobbt zu werden – und noch mehr psychische wie physische Gewalt.

Von Kindheit an bis Anfang zwanzig war ich eine Insel. Ich wollte niemanden brauchen, regelte alles mit mir selber, und verbrachte die meiste Zeit alleine. Das fühlte sich gut an, denn alleine darf ich schwach und ich selbst sein, und ich musste keine Erwartung erfüllen.

Autonomie, Unabhängigkeit und Individualität waren meine höchsten Werte, ich scherte mich nicht um Regeln oder Konventionen. Das was alle tun oder haben, kam für mich nie in Frage. Dass meine ersten zehn Beziehungen eher kurz und oberflächlich waren kannst du dir vermutlich vorstellen. Niemand wusste, wie ich wirklich bin.

Obwohl ich heute vieles weiß und sehr reflektiert bin, beschäftigt mich „Das ist meins“ noch immer tief. In dem was ich von mir erzähle – was ich von mir zeige – was ich anderen zumute –  und auch was ich spende und gebe. Mein Vertrauen in meine Stärke, in meine Kenntnisse, und in meine Resilienz ist noch immer wesentlich größer, als das Vertrauen, mich anderen Menschen zumuten zu können.

Es fühlt sich nicht sicher an mich zu zeigen. Ich brauche das Gefühl dass da jemand ist, der mir, meinen Gedanken und meinen Gefühlen gewachsen ist. Jemand, der die Zeit, die Stärke und die innere Gelassenheit in sich trägt, die ich meinen Eltern damals nicht zutraute. Ich sehne mich nach einer Kontrolle, die ich nicht bekommen werde. Nicht, weil es niemanden gäbe, der das leisten kann, sondern weil diese Kontrolle eine Illusion ist. Hier ist Vertrauen angesagt.

Wo willst du kontrollieren, obwohl an dieser Stelle Vertrauen gefragt ist?

Was willst du für dich behalten, um dich sicher zu fühlen?

Mit welchem Anteil von dir kann dein Gegenüber nicht umgehen?

Ist das wirklich wahr?

Mach dir deine Beziehung schön,

Dein Uwe

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Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Valentina

    Danke lieber Uwe!

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